Full text: Deutschlands chemische Industrie

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Künstliche 
Soda 
Betreten wir das 19. Jahrhundert, so zieht die Fabri 
kation der künstlichen Soda alsbald unsere Aufmerk 
samkeit auf sich. Sie beginnt mit einer Tragödie. An 
Stelle der Algen, die der Sturm an die Küste treibt, 
hatte der französische Gelehrte Leblanc, der Leibarzt 
des Herzogs von Orleans, 1790 das von dem Ozean 
und den Steinsalzlagern in unbegrenzter Menge darge 
botene Kochsalz benutzt, um die für die Seifenfabrikation 
vielbegehrte Soda zu gewinnen. Dieser Leblanc-Soda- 
Prozess bildet die Grundlage der chemischen Gross 
industrie des vergangenen Jahrhunderts. Mit ihm ent 
wickelt sich die Fabrikation der Schwefelsäure und 
Salpetersäure, die bei der Herstellung der Soda Ver 
wendung finden; als Nebenprodukt entsteht die Salz 
säure, die zu einer neuen Industrie des Chlors führt, 
das in Form von Chlorkalk als Bleichmittel die Welt 
erobert. 
Die Französische Republik hat diesem Wohltäter 
der Menschheit schlecht gedankt. Nachdem das Haupt 
des Herzogs unter der Guillotine gefallen, wurde das 
Patent Leblancs durch Dekret des Wohlfahrtsaus 
schusses vernichtet, das Verfahren veröffentlicht, die mit 
Unterstützung des Herzogs erbaute Fabrik geschlossen, 
das Inventar versteigert und der Erlös von 120 000 Francs 
zum Besten der Nation konfisziert. Verarmt und ge 
brochen endet Leblanc am 16. Januar 1806 sein Leben 
mit eigener Hand auf den Trümmern des zerstörten 
Werkes. 
In Frankreich wurden bald mehrere Fabriken er 
richtet. 1814 findet die künstliche Soda Eingang bei 
den englischen Seifenfabriken. Der Tonnenpreis beträgt 
1818 noch 840 Mark. Er ist heute auf weniger als
	        
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