Object: Methodische Einführung in die allgemeine Wirtschaftsgeographie

38 
III. Abschnitt. 
der schiffbaren Strecken, so zeigt sich die Wirkung des Flutstromes auf die Be 
nutzbarkeit des Unterlaufes für größere Schiffe auf das klarste. Von den zum 
Wasserstraßengebiet der Ostsee (ohne das Frische Haff, aber einschließlich der 
märkischen Wasserstraßen) gehörenden 5299 km schiffbarer Fluß- und Kanallängen 
haben nur 2,2 vom Hundert der Gesamtlänge eine Mittelwassertiefe von 4—5 m, 
tiefer als 5 m sind von dieser großen Länge, sogar einschließlich des Oderhaffs, nur 
etwa ebenso viel Prozent. Von den der Nordsee tributpflichtigen 7569 km (ein 
schließlich des Kaiser-Wilhelm-Kanals) haben eine Fahrwassertiefe bei Mittelwasser 
von mehr als 5 m dagegen 9,6 vom Hundert, wobei zum besseren Verständnis betont 
werden mag, daß diese sich fast ausschließlich auf die an der Flutwelle beteiligten 
Stromgebiete verteilen, während auf den Rhein nicht mehr als als 3,5 km entfallen. 
Selbst die keineswegs wasserreiche Weser ist mit mehr als 10, das Elbegebiet sogar 
mit mehr als 22 vom Hundert der schiffbaren Gesamtlängen an diesen sehr be 
trächtlichen Fahrwassertiefen beteiligt. Ja, noch mehr, die Ems und die kleinen 
Küstenflüsse zwischen dieser und der Weser übertreffen die Weichselmündung mit 
der Länge der für tiefer gehende Seeschiffe zugänglichen Strecken um das Zehnfache 1 
Wie wir in dem Auftreten eines stärkeren Gezeitenstromes einen 
für die Binnenschiffahrt im Unterlauf von Strömen höchst bedeut 
samen und günstigen Einfluß erkennen müssen, so gehört in 
einzelnen Fällen auch der Wind zu den wichtigsten 
Faktoren des neuzeitigen Wasserverkehrs. Selbstver 
ständlich nicht nur in dem seit Urzeiten bekannten 
Sinne des Kraftspenders für die Bewegung der Schiffe, 
sondern in einer ganz anderen, die Wasserstände be 
einflussenden Wirkungsweise. Der Wind spielt in diesem 
Sinne eine Rolle sowohl in ungünstiger wie in günstiger Richtung. 
Während z. B. die großen Seen Mittelrußlands als natürliche Re 
gulatoren des Wasserstandes (vgl. das oben darüber Gesagte) die 
günstige Folge zeitigen, daß z. B. in der Newa das Frühlingshoch 
wasser fast gar nicht zur Entwicklung gelangt, sind in Petersburg 
anhaltende starke Seewinde die alleinige Ursache von Ueberschwem- 
mungen. Hier kann man die größeren von ihnen stets in der Zeit 
beobachten, in der die Westwinde mit besonderer Kraft wehen, d. h. 
von Ende August bis in den Dezember. 
Für die günstigen Einwirkungen des Windes auf den Wasser 
stand haben wir ein vorzügliches Beispiel in den Verkehrsverhält- 
nissen unserer größten deutschen Hafenstadt. Die Wasserführung 
der Elbe würde selbst im Verein mit der in ihrer Mündung tief 
landeinwärts dringenden Stauwelle der Meeresflut nicht genügen, dem 
Strome den tatsächlich vorhandenen Grad der Benutzbarkeit zu sichern. 
Da aber die vorherrschenden Winde ein weiteres Aufstauen des 
Wassers bewirken und die mittlere Windrichtung mit der mittleren 
Richtung des Mündungstrichters so ziemlich zusammenfällt, so ergibt 
sich daraus als unmittelbare Folge eine weitere Erhöhung des Wasser 
spiegels. In Perioden länger anhaltender Ost- und Südostwinde nimmt 
die Fahrwassertiefe dagegen so sehr ab, daß die Großschiffahrt bis 
weilen eine ganze Reihe von aufeinander folgenden Tagen darunter zu 
leiden hat. Ein unwiderleglicher Beweis für die Bedeutung, die dem 
Winde als einer in bestimmten Fällen den Wasserstand beeinflussenden 
Kraft zukommt. Es wäre von großer Bedeutung, die Ein 
wirkung dieses Faktors namentlich in den Gegenden 
regelmäßiger Jahreszeitenwinde festzustellen, da von 
ihrer Einwirkung unter allen Umständen auch die 
Brauchbarkeit der den betreffenden Erdgegenden an 
gehörenden Häfen und Mündungsrinnen in hohem 
Grade abhängt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.