wäre, dann wäre dieses Ruhebett auch das Totenbett aller
menschlichen Entwicklung. All diese tiefen, grundlegen
den Wahrheiten hat vielleicht nicht eine von zwanzigtau
send Frauen, die für die Umgestaltung kämpfen, scharf
und klar genug erfaßt, um sie in Worte zu kleiden, und
doch wird jede von ihnen, auch die schwächste und un
bedeutendste, die an unseren Bestrebungen nach Anpas
sung und Entwicklung teilnimmt, von diesem unklaren Ge
fühl getrieben. Hinter den kleinen Übeln, die sie durch ihr
momentanes persönliches Tun zu bessern sucht, hegen,
das fühlt sie, große Übel, von denen jene bloß Schöß
linge sind; hinter den kleinen Gütern, die sie zu erreichen
sucht, hegt, daran glaubt sie, eine große, für alle zu er
strebende Glückseligkeit; hinter dem kleinen Kampf des
Tages hegt der große Kampf der Jahrhunderte, an dem
weder sie allein, noch ihr Geschlecht allein, sondern die
ganze Menschheit beteiligt ist.
Diese Geistesverfassung des Durchschnitts der Frauen,
die heute an der Reformbewegung ihres Geschlechtes
teilnehmen und von der Rednerbühne und in der Lite
ratur so oft bloß sekundäre Argumente anführen, unfähig
die dahinter hegenden treibenden Verhältnisse klar darzu
legen, wird manchmal als Zeichen der Erfolglosigkeit und
des wahrscheinlichen endlichen Fehlschlagens der Be
wegung hingestellt. In Wirklichkeit ist dem nicht so. Es
ist eher ein Zeichen dafür, wie gesund und tief im Men
schenwesen ruhend, die Wurzeln dieser Bewegung sind
und wie sie eine von jenen großen Reformbewegungen ist,
die im Laufe der Jahrhunderte das Menschenleben ge
wandelt haben. Denn diese großen Bewegungen, die blei
bend den Zustand der Menschheit veränderten, sind nie
mals von gelehrten Weisheitskrämern ausgegangen, ihre
Lebenskraft ist niemals aus rein intellektuellen und ab
strakten Theorien erwachsen. Sie sind immer als Folge
von weitverbreiteten materiellen und geistigen Zuständen