Full text: Die Frau und die Arbeit

In Wahrheit sind wir aber gar nicht neu. Wir, die wir 
diese heutige Bewegung leiten, sind von jenen alten, alten 
teutonischen Frauengeschlechtem, die vor zwanzig Jahr 
hunderten an der Seite ihrer männlichen Gefährten ihren 
Weg durch Europas Wälder und Moräste bahnten, die mit 
den Zimbem nach Italien, mit den Franken nach dem 
Rhein, mit den Warägern nach Rußland und den Aleman 
nen nach der Schweiz zogen, die Skandinavien bevölkerten 
und in England eindrangen, deren Priesterinnen ihre Al 
täre in den deutschen Wäldern hatten und über Krieg 
oder Frieden entschieden. In uns fließt das Blut eines 
Frauengeschlechtes, das niemals gekauft und verkauft 
ward, das keinen Schleier trug und dessen Füße nie ge 
bunden waren, dessen verwirklichtes Eheideal die Kame 
radschaft der Geschlechter war und die Gleichheit in 
Pflichten und Arbeit, das dem geliebten Mann zur Seite 
stand im Krieg wie im Frieden, und dessen Kinder Mann 
heit aus Mutterbrüsten saugten und schon im Mutterleibe 
ein mutiges Herz über sich schlagen fühlten. Wir sind 
Frauen einer Rasse, deren Stammesideal keine griechische 
Helena ist, die von der Hand eines Mannes in die eines 
andern überging wie Gold oder Blei, sondern jene Brun- 
hild, die Sigurd in Helm und Brünne gekleidet auffand, die 
Walküre, die ihm den Rat gab, „den tiefsten, der jemals 
einem lebenden Manne gegeben ward“, und die ihn „auf 
rief, große Taten zu vollbringen“, die, als er starb, den 
Holzstoß hoch aufrichtete und sich neben ihn bettete mit 
den Worten: „Des Helden heiligste Ehre zu teilen, ver 
langt mein eigener Leib.“ Wir sind von einem Weiber 
geschlecht, das von altersher keine Furcht kannte, den 
Tod nicht fürchtete, ein großes Leben lebte und hohe 
Hoffnungen nährte, und wenn auch heute manche von uns 
gesunken sind in böser, entarteter Zeit, so pocht doch noch 
das alte Blut in uns. 
Und stehen wir auch heute nicht physisch auf dem
	        
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