Full text: Der Brotwucher

Motto: Greif niemals in ein Wejpenneft; doch 
wenn du greifft, dann greife felt. 
Dorworfk. 
Wie in keiner anderen Erfheinung des WirtfhHaftsSlebenz der Gegen- 
wart wird im Brotwucher das Problem der Heutigen Wirt/Haftspolitik 
fihtbar. Er ijt aber auch fo recht ein draftifches Mufterbeifpiel dafür, wie 
bei uns zu Lande Sozialpolitik getrieben wird. WiewohHl unfer von allen 
Seiten bedrängter {Ywacher Staat aus einer Sanierungskrije in die andere 
jällt und das Ende der jHweren Erfehlitterungen noch Lange nicht abzı= 
jehen ijt; wiewohl die Produktion an Lebensgütern nicht nur in der 
Landwirtjhaft, jondern auch im wichtigen Induftriezweigen Hinter dem 
Bedarfe zurückbleibt und die gejamte Volkswirt/chaft, eingezwängt zwijchen 
den imperialijtijdh gerichteten Nachfolgeftaaten, alfo meift mißgünftigen, fich 
abjperrenden Nachbarn, nach Preisabban, vor allem nad Verbilligung 
der Lebenzhaltung fHreit, gejchieht dennoch nicht? ErnfthHaftes, um 
diejenı dringenden Bedürfnijfe aller RehHnung zu tragen. Man geht wie 
die Kaße um den heißen Brei hHerum. Klaffenegoismus, Dilettantismus 
und MarktjcHreierei kennzeidhnen unjere Wirtfjhaftspolitik, und zwar nicht 
5iloß die der Regierung, Jondern auch jene der Parteien und fpiegeln ih mit 
Qarakterijtijdher Schärfe in dem grafjierenden Brotwucher ab. Und gerade 
hier triumphiert die Demagogie mit befonderem Zynismus und feiert 
Orgien, ohne daß ihr von irgendeiner Seite mit der erforderlichen 
Energie entgegengetreten würde. Much die wiffen]hHaftlichen Vertreter 
der Nationalökonomie erfajjen ihre zeitgemäße Aufgabe nicht. Längit {don 
Hätten fie die fraffen Erfcheinungen der Bolkswirtfchaft von Heute zum 
Segenftande ihrer Forjhung madhen müffen, um der im Dunkeln tappen- 
den Praxis einen Ausweg aus dem Labyrinth zu zeigen. Der Brotwucher 
ift eine der grellften Mißijtände unjerer Wirt/chHaft, den ich vor geraumer 
Zeit einem Wiener Univerfitätsprofefjor zur wiffen|dhaftlihen Unter- 
Iucung empfohlen habe. € wäre zumindeft eine wertvolle Seminar- 
arbeit geworden. AWber unjere Profefjoren find Scholaftifer. Die einen 
arübeln über alte Schriften des Marxismus, die anderen über jolcdhe des 
Romantismus; die blutende Gegenwart bleibt link liegen, um ihre un-
	        
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