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Dr. Gustav Schüttle,
VI.
Die Finanzen des winzigen, damals etwa 100 Haushaltungen zählenden
Reichsstädtchens Buchhorn (das jetzige Friedrichshafen am Bodensee) befanden
sich in einem derart trostlosen Zustande, daß, nachdem dieses seine letzten noch
übrigen Hofgüter und Grundrenten versetzt hatte, nicht einmal mehr die schwäbische
Kreiskriegskasse durch irgend welche Zwangsmittel noch etwas erhalten zu können
hotfte. Teils die bereits berührten traurigen allgemeinen Zeitumstände, teils eine
durch und durch verkommene Verwaltung hatten das kleine Gemeinwesen, das
überdies auch noch den ganzen Regierungs- und Verwaltungsapparat, wie andere
viel größere Reichsstädte zu tragen hatte, so heruntergebracht. So ist es begreiflich,
daß das Beispiel der Nachbarstädte beim Buchhorner Magistrat die Lust erweckte,
durch Ausprägen von schlechtem Kleingeld der notleidenden Stadtkasse aufzuhelfen.
Ja, wenn dieser der Gewinn aus jenem verzweifelten Mittel nur wenigstens zu gut
gekommen wäre, anstatt in die privaten Taschen der Stadtgewaltigen zu wandern!
Der Stadtammann 1 ) Franz Bernhard Gagg (seines Handwerks ein Metzger,
später Weinwirt), brachte es nämlich fertig, daß im August 1700 ihm der engere
Rat der Stadt das Ausprägen von Kupferpfennigen auf 4 Jahre pachtweise übertrug
gegen das lächerlich geringe Pachtgeld von 150 fl., wovon überdies in der Folge
nur 100 fl. wirklich bezahlt wurden. Neben dem hatte Gagg aus Anlaß dieses
Beschlusses den Ratsgliedern ein Essen samt Trunk darzubieten, auch nach Ablauf
der Pachtzeit die Münzeinrichtungen unentgeltlich an die Stadt abzutreten. Hinterher
trat dem Unternehmen, es war dies vorher schon so abgekartet, der Kanzleiver
walter Johann Damian Leutin als Teilhaber bei. Diese beiden Pächter gaben die
Herstellung der Münzen dem Goldschmied Johann Albreclit Riedle von Lindau in
Unterakkord; 2 ) für jeden Zentner (Lindauer Gewicht) fertiger Pfennige soll Riedle
150 fl, erhalten haben. Auf einen solchen Zentner gingen etwa 64.000 Stück.
(Abbildungen der Pfennige Tafel IX, Nr. 48 bis 50.) Der Lindauer Kaufmann und
Spediteur Rist übernahm es, die neuen Münzen im Lande zu verbreiten. An Provision
erhielt er dafür anfangs 5 Prozent, nachher 6 2 / 3 Prozent und im folgenden Jahr,
weil der Absatz je länger je schwieriger wurde, gaben die Pächter ihre Pfennige
mit 10 Prozent, später mit 1 3y 3 Prozent und noch höherem Abschlag weg. Lange
vor dem Ablauf der Pachtzeit, nämlich schon nach etwa anderthalbjähriger Dauer
des Betriebes, sahen sich die beiden Buchhorner Pfennigmünzpächter genötigt, jenen
einzustellen, hauptsächlich weil inzwischen die mehrerwähnte oberschwäbische
Münzkrisis von 1702 zum Ausbruch gekommen war. Nebendem hatte auch der
Großrat des Städtchens, gewissermaßen der Vertreter der Bürgerschaft, sich in die
1) Stadtammann bedeutete Vorsitzender des Stadtgerichts, der zu Buchhorn, was bei
Gagg auch der Fall war, regelmäßig im folgenden Jahre Bürgermeister wurde.
2 ) Schon im Oktober desselben Jahres gab man die ersten Gepräge aus. Itiedlo hatte zu
der Übernahme jenes Geschäftes die Genehmigung des Lindauer Geheimen Rats erbeten, diese
aber, damit die Stadt in keine Ungelegenheit komme, nur mit der Einschränkung erhalten, daß
in Lindau weder die Arbeiten vorgenommen, noch dort von den Pfennigen etwas verausgabt
werde. Tatsächlich wurde keine der beiden Auflagen erfüllt; cs scheint der Lindauer Obrigkeit
genügt zu haben, daß sie wenigstens aktenmäßig ihren guten Willen zu beweisen im stände war.