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Dritter Teil.
Grundzüge
der Korn-, Mehl- und Brotbewirtschaftung.
I. Naturgegebene Bedingungen.
1. Anlage der Bewirtschaftung auf Dauer
und Durchgreifen. Mit dem Abschiedsgruß „Aus Wieder
sehen zu Weihnachten" waren unsere Feldgrauen im August
1914 ins Feld gezogen. Nach den Erfahrungen der letz
ten Kriege und mit Rücksicht auf die ungeheuren Opfer
eines Weltkrieges teilten die deutsche Regierung wie leitende
militärische Stellen diese Volksauffassung, daß der Krieg nicht lange
währen könne. Daher war auch beim Brotkorn alles, was bisher ge
schehen, auf die beiden Ziele eingestellt worden: die Brotversorgung
des deutschen Volkes für die kurze Kriegszeit oder höchstens für das
laufende Wirtschaftsjahr zu sichern und die deutsche Volkswirtschaft
in ihrer Kraft und Vielseitigkeit nröglichst unversehrt durch den
Krieg zu bringen. Nachdem er nun fast ein halbes Jahr gedauert
und dabei an Umfang wie an Stärke ständig zugenommen hatte,
ja das Eintreten neuer Feinde und größerer Kriegsmittel wahr
scheinlich war, setzte sich die bittere Erkenntnis durch, daß bei der
englischen Zähigkeit mit jahrelanger Kriegsdauer gerechnet werden
müßte. War dies der Fall, so mußten die Kriegseinrichtungen eben
falls aus lange Dauer eingestellt werden. Für das neue Ziel
staatlicher Brotfürsorge mußten daher neben den bisher getroffenen
Maßnahmen zur Behebung einzelner Mißstände so weittragende
und dauerbare Mittel ins Spiel gebracht werden, daß dauernd der
deutsche Brotbedarf aus der eigenen Kornernte zu befriedigen war.
Ein jahrelanger Weltkrieg, der das deutsche Volk in seinem Auf
bau nach Geschlecht und Alter änderte, der die politischen, sozialen
und rechtlichen Anschauungen und Formen wandelte, mußte auch im
deutschen Wirtschaftsleben gründliche Änderungen bewirken. Ein
fuhr- und Ausfuhrhandel nebst Reederei lagen still. Mangel an
Rohstoffen, Absatzgelegenheiten oder Arbeitskräften zwang die Be
triebe zur Einstellung oder zur Umstellung auf andere Arbeitszweige.