Vorwort. VII
recht und die Neutralen im Kriege 1914/16“, übersetzt von KErich
Zimmermann, Berlin 1916, Ernst Siegfried Mittler und Sohn; ferner
Huberich, Charles Henri, „Das englische Prisenrecht in seiner neuesten
Gestalt“, Berlin, Carl Heymanns Verlag:
Ich habe alle wichtigen Ausnahmegesetze und die Praxis von
England, Frankreich und Italien gegen die „feindlichen“ Vermögens-
interessen bis Mitte September 1916 zur Darstellung gebracht. Dabei
war der geschichtliche Werdegang zu berücksichtigen, wozu ich um so
mehr Veranlassung hatte, als die Entwicklung dieses Ausnahmerechtes
auch während der Drucklegung des Buches nicht stille stand. So kam
es, daß frühere Seiten und Kapitel der einzelnen Abschnitte die in den
ersten Monaten nach dem Kriege getroffenen weniger scharfen Maß-
nahmen wiedergeben, während auf späteren Seiten das rigorosere Recht
der neuesten Zeit niedergeschrieben ist.
Führend im ganzen Wirtschaftskampf ist unzweifelhaft England,
dessen Regierung — wohl nach dem englischen Worte „right or wrong
my country“ — in denkbar größtem Gegensatz zu der deutschen Rechts-
auffassung den Grundsatz der Unverletzlichkeit des Privateigentums auch
im Kriege zu Lande nicht anerkennt und nicht nur die feindliche Regie-
rung und die feindliche Armee, sondern auch jeden Bewohner des feind-
lichen Staates als „Feind“ betrachtet!). Es liegt nicht in der Aufgabe
eines neutralen Juristen, darüber ein Urteil zu fällen, welche Auffassung
im „Kriegsrecht“ die richtige ist. Der Krieg in jeder Form ist schreck-
lich, und eine der schönsten Aufgaben der vom Weltkrieg verschonten
Länder, ihrer Regierungen und ihrer einzelnen Bürger, wird es sein, dazu
beizutragen, die unsagbaren Leiden des Krieges zu mildern, die großen
Mißverständnisse zu beseitigen und nach dem Kriege an der Wiederauf-
richtung geordneter friedlicher Verhältnisse mitzuarbeiten. Nicht zum
wenigsten ist dabei auch an den Wiederaufbau auf dem Gebiete des
Privatrechtes zu denken. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß
1) Näheres darüber siehe Seite 1ff. Grundsätzlich und ursprünglich wird nur
derjenige Angehörige des feindlichen Staates von den Engländern privatrechtlich als
„Feind“, alien enemy. betrachtet, der in Feindesland wohnt, nicht aber derjenige, der
in nicht-feindlichem Lande — sei es nun England, einem verbündeten oder neutralen
Lande — Wohnsitz hat. Deutsche, die z. B. in der Schweiz wohnen, werden nicht als
Feinde behandelt; sie können Zahlungen aus England erhalten und Verträge mit Eng-
ländern abschließen. Dieser Grundsatz hat allerdings während des Krieges, namentlich
durch die schwarzen Listen, große Einschränkung erfahren. Für den Franzosen dagegen
ist jeder Deutsche und jeder Österreicher ein Feind.