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Bezugsrecht ist kein unentziehbares Sonderrecht der Aktionäre,
da 8 282 dessen Ausschluß in dem Kapitalserhöhungsbeschluß,
also mit Dreiviertelmehrheit gestattet. Es ist jedoch in Recht-
sprechung und Rechtslehre allgemein anerkannt, daß der Aus-
schluß des Bezugsrechts im Einzelfall nach dem „aus der Zu-
sammenfassung von Inhalt, Begründung und Zweck erhellenden
Gesamtcharakter des Beschlusses‘ (RGZ. 107, 72) nicht den
guten Sitten zuwiderlaufen und (RG. in JW. 24, 6811) nicht
„gegen das Gebot einer billigen und gerechten Behandlung der
Aktionäre?) bei der Ausgabe neuer Aktien‘ verstoßen darf. Das
ist natürlich ein sehr wenig fester Maßstab für die Beurteilung
der Ausschließung des Bezugsrechts, immerhin aber für die über-
stimmte und benachteiligte Minderheit der Aktionäre eine recht
starke Waffe, um sich gegen ihre Entrechtung zur Wehr zu
setzen?). Es bietet sich damit ein Mittel, gerade gegen die Ver-
waltungsaktien anzukämpfen, die auf Grund der gesetzlichen
Vorschriften über die Einlage und die Emission unter dem Nenn-
wert nicht zu beanstanden sind, bei deren Begebung jene hand-
greiflichen Verstöße gegen zwingende aktienrechtliche Bestim-
mungen vermieden werden, den Übernehmern aber doch eine
erhebliche Vergünstigung zum Nachteil der Stammaktionäre da-
durch gewährt wird, daß die Überlassung der Aktien an sie zu
einem weit hinter dem Wert der alten Aktien zurückbleibenden,
wenn auch über pari liegenden Kurs stattfindet. Die Schädigung
ihrer Interessen, die selbstverständlich Voraussetzung für den
Vorwurf der Sittenwidrigkeit bildet, kann sowohl in der Zurück-
drängung ihres bisherigen Einflusses auf die Geschäftsführung
wie in einer Benachteiligung vermögensrechtlicher Art bestehen.
Meist geht im Einzelfall beides Hand in Hand und läßt sich
gar nicht voneinander trennen, weil es sich um Ausflüsse eines
einheitlichen Mitgliedschaftsrechts handelt, dessen Beeinträchti-
gung in der Regel Rückwirkungen sowohl auf seine vermögens-
rechtlichen, wie auf seine herrschaftsrechtlichen Bestandteile nach
sich zieht. Bei der kapitalistischen Struktur der AG. wird man
aber den Ton doch mehr auf die vermögensrechtliche Seite der
2) Vgl. hierzu W. Stern, Der Grundsatz der gleichmäßigen
Behandlung der Gesellschafter und der Ausschluß des Aktionärbezug-
rechts. Soest 1925 Nord a.a.O.
3) Ein solcher Beschluß ist nichtig. Anfechtungsklage nach
8 271 HGB. und Feststellungsklage wegen Nichtigkeit des Beschlusses
sind konkurrierend zulässig. Vgl. Fischer in EhrbHdb. III, 1, S. 202 ff.
und JW. 1925, 153 Anm. mit weiteren Angaben über die Recht-
sprechung; Hueck, Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Generalv. Be-
schlüssen. 1924 S. 118 mit Literaturangaben, so auch RGZ. 111, 28;
J13, 155. Abw. A. Bernicken a. a./O. S. 57.
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