Full text: Der Imperialismus als jüngste Etappe des Kapitalismus

56 Der Imperialismus als jüngste Etappe des Kapitalismus 
DER KAPITALEXPORT 
Für den alten Kapitalismus, mit der vollkommenen Herrschaft 
der freien Konkurrenz, war typisch der Export von Waren. Für 
den neuesten Kapitalismus, mit der Herrschaft der Monopole, ist 
das Kennzeichnende der Export von Kapital geworden. 
Kapitalismus ist Warenproduktion auf der höchsten Stufe ihrer 
Entwicklung, auf der auch die Arbeitskraft zur Ware wird. Die 
Zunahme des Warenaustausches innerhalb des Landes wie ins- 
besondere auch international ist ein charakteristisches Merkmal 
des Kapitalismus. Die Ungleichmäßigkeit und Sprunghaftigkeit 
in der Entwicklung einzelner Unternehmungen, einzelner In- 
dustriezweige und einzelner Länder ist im Kapitalismus unver- 
meidlich. England wurde als erstes ein kapitalistisches Land; um 
die Mitte des 19. Jahrhunderts, als es den Freihandel einführte, 
nahm es für sich in Anspruch, die „Werkstätte der Welt“ zu sein, 
alle Länder mit Fertigfabrikaten zu versorgen, die ihm im Aus- 
tausch Rohprodukte zu liefern hatten. Aber dieses Monopol 
Englands war bereits im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts un- 
tergraben, denn eine Reihe anderer Länder, durch „Schutzzölle“ 
gesichert, hatte sich zu selbständigen kapitalistischen Staaten ent- 
wickelt. An der Schwelle des 20. Jahrhunderts finden wir die 
Bildung von Monopolen anderer Art: erstens Monopolverbände 
der Kapitalisten in allen Ländern des fortgeschrittenen Kapitalis- 
mus, zweitens Monopolstellung der wenigen reichsten Länder, in 
denen die Akkumulation des Kapitals gewaltige Dimensionen er- 
reicht hat. Es entstand ein ungeheurer „Kapitalüberfluß‘“ in den 
fortgeschrittenen Ländern. 
Freilich, wäre der Kapitalismus imstande, die Landwirtschaft 
zu heben, die jetzt überall weit hinter der Industrie zurückge- 
blieben ist, könnte er das Lebensniveau der Massen der Bevölke- 
rung heben, die trotz des schwindelerregenden technischen Fort- 
schrittes überall halbverhungert und bettelarm ihr Dasein fristen — 
dann würde von einem Kapitalüberfluß nicht die Rede sein kön- 
nen. Und das ist auch der „Einwand“, der allgemein von klein- 
bürgerlichen Kritikern des Kapitalismus gemacht wird. Aber dann 
wäre der Kapitalismus nicht Kapitalismus, denn die Ungleich- 
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