Das Problem
Und noch zu manchem Zeitpunkt der folgenden Jahre, wenn das
Gefüge des Staates auseinanderzukrachen drohte, und der Kampf
aller gegen alle vor der Tür stand, ist in jedem deutschen Ich der
Wille zum Staat erwacht und hat sich dem drohenden Unheil, bisher
mit Erfolg, entgegengestemmt.
Dazwischen loderte hier und da und dort immer wieder die
Unzufriedenheit hell auf mit der neuen Form, die der Staat sich
zu geben bemüht war. Zufrieden war niemand, und nur zu viele
waren immer wieder geneigt, den Staat zu verneinen, nur weil
ihnen seine Form nicht gefiel. Nach der letzten schweren Krise, die
diese Unzufriedenheit mit der unfertigen neuen Staatsform im
Herbst 1923 hervorgerufen hat, schien dann eine gewisse Beruhigung
eintreten zu wollen. Die Auseinandersetzung zwischen dem Ich
und dem Staate, noch weit entfernt davon, beendet zu sein, ver-
zichtete doch auf die Methoden des Faustrechts, auf das Kurz- und
Kleinschlagen dessen, was mißfiel, und lenkte in gesittetere Bahnen
wieder ein. Daß der Staat dem Ich wieder ein Geld, einen Wert-
messec für seine Arbeit bieten konnte, der ihm nicht unter den
Händen zerfloß, hat zur Beruhigung der Gemüter nicht wenig
beigetragen. Alles kommt nun darauf an, ob es gelingt, die Aus-
einandersetzung vor dem Versumpfen zu bewahren, vor dem Ver-
sinken hinter der Jagd nach Erwerb, die vor der gewaltsamen Auf-
rüttelung der Geister im August 1914 unser einziger Daseinszweck
geworden zu sein schien.
So viel ist gewiß: den Staat für sich selbst sorgen zu lassen und
sich derweil selber nach bestem Vermögen die Taschen zu füllen,
kann sich das deutsche Ich heute nicht mehr leisten. Denn der Staat,
dem es auf Gedeih und Verderb verbunden ist, heute wie vor zehn
Jahren, ist nicht mehr die erste Militärmacht der Welt, die sich
eine stattliche Reihe von Irrtümern und Fehlgriffen leisten konnte,
ehe es ihr zum Verderben ausschlug. Der deutsche Staat von heute
sitzt wehrlos wie ein Einsiedlerkrebs im Kreise schwergepanzerter
Nachbarn. Der deutsche Staat von heute ist darauf angewiesen,
daß jedes deutsche Ich ihm bereitwillig zur Verfügung stelle, was
es an Einsicht und Willen für ihn übrig zu haben glaubt. Denn
die Hingabe des deutschen Ichs an den Staat, wie er da auf
deutschem Mutterboden erwachsen ist und schwer um seine neue
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