12 Die Anfänge der seminaristischen Bildung in den alten Schulen
1. In den Bestimmungen dieser Ratio studiorum werden
zwei Arten von solchen Seminaren berücksichtigt. Bei der
ersten handelt es sich um die Förderung einzelner Studie-
render in einem bestimmten Fachstudium. Die Übungen,
welche dafür angeordnet sind, werden ebenfalls als „Aka-
demie“ bezeichnet, obwohl sie sich von den allgemeinen
Vereinen dieses Namens in mehr als einem Punkte unter-
scheiden.
9. Zu dieser ersten Klasse gehören die griechischen
und hebräischen Akademien und die besonderen Übungen
für die Mathematik. Es ist davon die Rede in der 8. und
20. Regel des Provinzials und in der 7. Regel des Rek-
tors!). Die letztere bestimmt, daß der Rektor für die Ein-
richtung von Akademien des Griechischen und Hebräischen
Sorge trage, in welchen die Akademiker wöchentlich 2—3mal,
und zwar an freien Tagen, solche Übungen veranstalten,
daß daraus tüchtige Vertreter der beiden Sprachen im pri-
vaten und öffentlichen Leben hervorgehen können („ut inde
prodire possint, qui harum linguarum scientiam et dignita-
tem privatim ac publice tueantur“).
3. Über die Arbeiten in diesen Akademien bemerkt
B. Duhr: „Diese Akademien üben nicht bloß die Gram-
matik, Philologie, den Stil, sondern auch die Lektüre und
Literatur der beiden Sprachen; Abhandlungen werden ver-
faßt, vorgelesen und diskutiert; irgend ein griechischer
Autor oder ein Buch des Alten Testamentes wird abschnitt-
weise zur Übersetzung und Erklärung unter die Akademiker
verteilt und so zum Gemeingut aller“?). Eine derartige
Akademie ist der Sache nach ganz dasselbe mit unseren
akademischen Seminaren und würde im Betriebe der mo-
dernen Universität ohne weiteres auch den Namen eines
fachwissenschaftlichen Seminars erhalten.
4, Daß dieser Name „Seminar“ für eine ähnliche Ein-
richtung in der alten Schule bekannt war, zeigt die zweite
Art der in der Ratio studiorum vorgesehenen Übungen.
G. M. Pachtler, Ratio studiorum 2, 236. 256. 268.
2?) B. Duhr, Studienordnung 135.