Full text: Neuzeitliche Krüppelfürsorge

Die Krüppelfürsorge in der Provinz Westfalen. 
Von Landesrat Schulte-Himmelpforten, Münster. 
Die Fürsorge für die hilfsbedürftigen Krüppel bildete in Preußen 
bis zum Inkrafttreten des Krüppelfürsorgegesetßes am 1. Oktober 1920 
keinen besonderen Zweig der öffentlichen Armenpflege. Sie regelte 
sich vielmehr nach den allgemeinen armenrechtlichen Bestimmungen 
und lag, je nach dem der Krüppel einen Untersstüßungswohn itz hatte, 
den Orts- oder den Landarmenverbänden ob. Eine Krüppelfürsorge 
als besonderer Zweig der Wohlfahrtspflege war deshalb auch nur in 
wenigen Gemeinden vorhanden. Die etwa bestehenden Krüppel- 
anstalten waren fast ausschließlich Gründungen der privaten Wohl- 
fahrtspflege. In unserer Heimatprovinz haben schon lange vor Erlaß 
des Krüppelfürsorgegesetzes die privaten Anstalten der Josephsgesell- 
schaft für Krüppelfürsorge in Bigge, die Krüppelanstalten Johanna- 
Helenenheim in Volmarstein und die orthopädische Heilanstalt Hüffer- 
stiftung in Münster bahnbrechend auf dem Gebiete der Krüppel- 
fürsorge gearbeitet und Mustergültiges geleistet. Eine Ünderung trat 
erst ein, als unter dem Einfluß des Krieges die Krüppelheilkunde einen 
hohen Aufschwung nahm und nun allmählich erkannt wurde, welche 
große volkswirtschaftliche Bedeutung eine planmäßig betriebene 
Krüppelfürsorge besitt. Da die Behandlung und Ausbildung der 
Krüppel eine besonders kostspielige ist und die Schaffung der erforder- 
lichen Anstalten über die Leistungsfähigkeit der einzelnen Ortsarmen- 
verbände hinausging, so lag es nahe, die Fürsorge für Krüppel den 
leistungsfähigen Landarmenverbänden aufzuerlegen. Das Krüppel- 
fürsorgegeseß vom 6. Mai 1920 bestimmt deshalb, daß die Land- 
armenverbände verpflichtet sind, für Bewahrung, Kur und Pflege der 
hilfsbedürftigen Krüppel, soweit sie der Anstaltspflege bedürfen, in 
geeigneten Anstalten zu sorgen. Während die Anstaltsfürsorge hier- 
nach den Landarmenverbänden überwiesen wurde, ist die ambulante 
Fürsorge und die Prophylaxe zu einer Aufgabe der Stadt- und Land- 
kreise gemacht worden. Diese Organisation der Krüppelfürsorge wurde 
auch in die preußische Ausführungsverordnung zur Reichsverordnung 
über die Fürsorgepflicht vom 13. Februar 1924 übernommen. 
Die Aufgabe, die das Krüppelfürsorgegesetz den Provinzen und 
den Stadt- und Landkreisen auferlegte, war keine leichte, da sie an die 
finanzielle Leistungsfähigkeit hohe Ansprüche stellte. Es soll deshalb 
nicht verschwiegen werden, daß die gesetzliche Regelung der Krüppel- 
fürsorge nicht allgemein mit Freuden aufgenommen wurde. Pro-
	        
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