Ä dl1. -
beim Toten sehen. Nun ist keine Muskulatur imstande, dauernd Arbeit
zu verrichten; sie ermüdet und braucht Ruhe. Bei dieser Ruhestellung
geht der Körper auf seine Knochen- und Bänderhemmungen zurück
und biegt sich hierbei nach der Seite oder nach hinten aus. Nach
einiger Zeit ist die Muskulatur wieder imstande, die Wirbelsäule ge-
rade zu halten. Tritt aber ein derartiger Zustand öfter ein, so kommt
einmal der Zeitpunkt, wo die Muskulatur nicht mehr imstande ist,
diese seitliche Ausbiegung der Wirbelsäule zu redressieren, und das ist
der Augenblick, in dem die Skoliose entsteht.
Bei der Besprechung der Rachitis habe ich bereits die rachitische
Skoliose erwähnt. Diese entsteht fast durchweg durch zu frühzeitiges
Sitzen des Kindes auf dem Arm der Mutter oder der Wärterin und
durch zu frühzeitiges Umherlaufen bei noch nicht tragfähiger Wirbel-
säule. Wir sehen sie daher meist im 1. und 2. Lebensjahr beginnen
Dagegen tritt die Skoliose als reine Belastungsdeformität erst im 6.
und 7. Lebensjahr auf, fällt also ungefähr mit dem Schulbeginn zu-
sammen. Eine Statistik der Schulen in Köln ergibt folgendes Bild
(aus dem Beginn des Jahrhunderts): Im 1. Schuljahr 0 Proz.
Skoliosen, im 2. Schuljahr 6 Proz. Skoliosen, im 3. Schuljahr
19 Proz. Skoliosen, im 4. Schuljahr 27 Proz. Skoliosen, im 5. und 6.
Schuljahr 52 Proz. Skoliosen. Auf Grund dieser und ähnlicher Be-
funde hat man die Skoliose direkt als Berufskrankheit, als Schul-
krankheit bezeichnet. Ein derartiger Erklärungsversuch ist indessen
entschieden zu weitgehend, wenn man auch einen Zusammenhang
zwischen Schule und Skoliose unmöglich bestreiten kann. Immerhin
sehen wir, daß höchstens die Hälfte der Kinder erkrankt und daß unter
diesen Erkrankten wiederum 3 bis 4 mal mehr Mädchen als Knaben
vorhanden sind. Sehen wir uns die befallenen Kinder an, so bemerken
wir, daß es fast alles kränkliche, schwächliche, nicht selten auch hoch-
aufgeschossene Kinder sind, deren Körper eben den Anstrengungen der
Schule nicht gewachsen ist. Die Muskulatur ist zu schlaff, der im
starken Wachstum befindliche Knochen noch zu plastisch, zu wenig
tragfähig. In zweierlei Hinsicht sehen wir die Schädlichkeiten der
Schule einwirken: einmal tritt eine Ermüdung durch das ständige
lange Sitzen auf den häufig ungeeigneten und unzweckmäßigen Schul-
bänken ein; dann ssehen wir, wie der Schreibakt schädlich auf die
Kinder einwirkt. Bei der meist noch angewandten Schrägschrift der
Kinder biegt sich der Körper in zwei Haltungstypen aus. Einmal ent-
steht eine links convexe Totalskoliose der Wirbelsäule, das andere Mal
eine rechtseitige Brustverkrümmung mit Gegenkrümmung nach links
im Lendenteil. Schon aus diesen kurzen Darlegungen geht hervor,
wie wir die Entstehung der Skoliose zu bekämpfen haben; denn das
Vichtigste ist hier das V or b eug en, da wir eine einmal ausgebil-
dete Skoliose nie wieder völlig beseitigen können. Die Hauptaufgabe