Allgemeines und Geschichtliches zur Krüppelfürsorge.
von Univ -Prof. Dr. Weber, Münster i. Westf.
1. Der Begriff „Krüppel“ und „Krüppelfürsorge“.
. In der älteren Literatur und auch im Sprachgebrauch wird der
Begriff „Krüppel“ ziemlich eng gefaßt, wenigstens dann, wenn man
die heute ziemlich allgemein übernommene Definition im § 9 des
Preußischen Gesetzes betreffend die öffentliche Krüppelfürsorge vom
S. Mai 1920 als Vergleichsmaßstab annimmt. Früher bezeichnete man
als Krüppel nur jene Personen, die offensichtlich verwachsen und im
Gebrauch ihrer Glieder dergestalt behindert waren, daß das Leiden
auch nach außen hin jedem auffallen mußte. So definiert Schäfer im
„Jahrbuch der Krüppelfürsorge“, II, S. 58: „Krüppel werden die-
lenigen Menschen genannt, welche den Verlust, die Lähmung, die Miß-
bildung irgendeines Gliedes oder hochgradige Rückgratverkrümmun-
gen zu beklagen haben.“ Auch Biesalski, Kriegskrüppelfürsorge, Leip-
z1tg 1915, S. 3 faßt den Begriff Krüppeltum noch etwas zu eng, in-
dem er darunter „eine schwere Beeinträchtigung der Bewegungsmög-
lichkeiten und der Körperhaltung“ versteht.
Neuerdings faßt man den Begriff „Krüppel“ weiter und ver-
steht darunter alle jene, bei denen Rumpf oder Gliedmaßen nicht ganz
normal sind. So wird nach dem oben genannten Preußischen Krüppel-
êürsorgegesetz eine Verkrüppelung als vorliegend angesehen, „wenn
?ine Person infolge eines angeborenen oder erworbenen Knochen-,
Gelenk-, Muskel- oder Nervenleidens oder Fehlens eines wichtigen
Gliedes oder von Teilen eines solchen im Gebrauch ihres Rumpfes
oder ihrer Gliedmaßen nicht nur vorübergehend derart behindert ist,
daß ihre Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkte vor-
ausssichtlich wesentlich beeinträchtigt wird“. Hiernach ist es also
typisch für den Krüppel, daß er in körperlicher und sozialökonomischer
Hinsicht nicht die Leistungsfähigkeit des Durchschnittsmenschen er-
reicht. Dieser Zustand wird natürlich auch auf seine geistig-ethische
Einstellung einwirken, so daß der Krüppel in dieser dreifachen Hin-
=sicht hilfsbedürftig erscheint.
. Die Summe der Maßnahmen, die zur Verbesserung der körper-
lichen, sozialökonomischen und geistig-ethischen Lage der Krüppel be-
stimmt ist, bezeichnen wir als Krüppelfürsorge. Diese Maßnahmen
sind natürlich mannigfach, sie unterscheiden sich
1. in g eschlo ss ene und o ff en e Krüppelfürsorge, je nach dem,
"b die ganze Art des Falles (bei dem sogenannten heimbedürftigen