Object: Forstwirtschafts-Politik

170 Aufgaben der künftigen Forstwirtschaftspolitik. 
Sie würde sich aus volkswirtschaftlichen Rücfsichten auf die Dauer nicht durchführen lassen. 
Die schon seit langem mehr oder weniger ruhende Bautätigkeit muß vor allem im Interesse 
der Behebung der Wohnungsnot wieder stärker einseßzen, und auch der Bedarf vieler 
anderer holzverbrauchender Gewerbe läßt sich auf die Dauer nicht dermaßen einschränken. 
Für unsere auf Export eingestellte Holzveredlungsindustrie aber würde eine solche Ein- 
schränkung der Todesstoß sein. Eine dauernde Beschränkung unseres Holzbedarfs dürfte 
also nach dem Gesagten kaum im Interesse unserer Volkswirtschaft gelegen sein. Das 
hindert aber nicht, troßdem — soweit das möglich und durchführbar ist ~ von einzelnen 
holzsparenden Maßnahmen, wie vor allem von der Imprägnierung, einen ausgedehnten 
Gebrauch zu machen. Allerdings darf man dabei nicht vergessen, daß sich derlei Maß- 
nahmen erst nach einer Reihe von Jahren in der Holzbilanz bemerkbar machen. 
Eine Beschränkung des Holzbedarfs ließe sich außer durch Einschränkung des Holz- 
verbrauchs auch durch eine Verminderung der Ausfuhrmenge erreichen. 
Aber auch eine Einsparung an der Ausfuhrmenge ist ein zweischneidiges Schwert in einer 
Zeit, in der gerade eine Hebung des Exports im dringendsten Interesse der deutschen 
Volkswirtschaft liegt. Bei dieser Frage handelt es sich nicht nur um Sein oder Nichtsein 
unseres Holzhandelsgewerbes, sondern um Gedeih oder Verderb unserer gesamten Volks- 
wirtschaft. Wenn wir unsere Schulden abzahlen wollen, müssen wir exportieren, ob wir 
wollen oder nicht. Denn die wichtigste, zur Zeit dringlichste Aufgabe der deutschen 
Virtsschaftspolitik ist fraglos „die Wiedergeburt der deutschen Volkswirtschaft, die Über- 
windung der deutschen Armut . . . . und die Steigerung der Ergiebigkeit der deutschen 
Volkswirtschaft um jeden Preis und in der denkbar kürzesten Zeit. ..... 
Versailler Vertrag und Londoner Pakt legen Deutschland Lasten auf, die es grund- 
sätzlich tragen und abtragen muß, wenn die Deutschen als Volk und Nation jemals wieder 
frei werden sollen. So sicher es ist, daß die künftige Geschichtsschreibung die Kriegsschuld- 
lüge als solche brandmarken wird, so zweifellos ist es, daß Deutschland zahlen muß, denn 
seit undenklichen Zeiten ist es das Los der Besiegten. Unter diesem Druck gilt es, das Letzte 
aus der deutschen Wirtschaft herauszuholen und sie in den Dienst der Wiedererringung der 
Freiheit zu stellen. . . & Im ganzen Steigerung der Produktivität der deutschen Wirtschaft. 
Im einzelnen Erhaltung und Förderung der Land- (und Forst-) Wirtschaft, damit sie min- 
destens die Stellung zurückgewinne, die sie vor dem Kriege innegehabt hat. . . . . Daneben 
aber steht die große, die brennende Aufgabe, die deutsche Industrie wahrhaft, planvoll und 
in einem Ausmaße zu entwickeln, das weit über alles hinausgeht, was in der Vorkriegszeit 
„Industrialisierung“ genannt wurde. Von der glücklichen Lösung dieser Aufgabe hängt es 
ab, ob Deutschland von dem wirtschaftlichen Abgrund, vor dem es steht, noch zurückgerissen 
werden kann. Gelingen wird die Lösung nur dann, wenn sich den deutschen Industrie- 
erzeugnissen der Weltmarkt öffnet. Die ihr vom Schicksal zugewiesene Aufgabe kann 
die deutsche Industrie nur dann erfüllen, wenn sich ihr der Weltmarkt öffnet, sie sich auf ihm 
als konkurrenzfähig erweist und sie durch umfassende Anteilnahme an der weltwirtsschaftlich- 
industriellen Bedarfsbefriedigung Gewinne erzielt, mit denen das deutsche Volk Nahrungs- 
mittel und (für den eigenen Bedarf benötigte) Rohstoffe bezahlen kann, aus denen Steuern 
aufgebracht und Tribute geleistet werden können. Wer glaubt, daß der verarmte 
Inlandsmar kt der deutschen Industrie für solche Entwicklung die Voraussetzungen 
böte, der wird schon in wenigen Jahren eine furchtbare Enttäuschung erleben1).“ 
!) Bernhard Har ms,, „Die Zukunft der deutschen Handelspolitik“, 1. Bd., Jena 1925, 
S. 135/36 und 181 f.
	        
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