Full text: Forstwirtschafts-Politik

Regulierung durch Zwangsmaßnahmen. 181 
Die freiheit li ch e Wirtschaftspolitit, welche die Gestaltung der Wirtschafts- 
führung grundsätzlich dem Gutdünken der einzelnen überläßt. Sie zieht höchstens 
gewisse Grenzen für das Verhalten der Individuen in Gestalt von strafrechtlichen 
Bestimmungen. Typus: extremes Manchesstertum. 
Im Laufe der Geschichte haben sich nun ~ wenn man von der Wirtschaftspolitik der 
mittelalterlichen Städte, die hier nicht von Belang ist, absieht ~ in der Hauptsache zwei 
wirtschaftspolitische Systeme herausgebildet, in denen sich die obengenannten abstrakten 
Typen wirtschaftspolitischer Systembildung, wenn auch nicht immer in reiner Form, 
wiederfinden: der Merkantilismus und der Liberalismus. 
Der Merk antilis mus, „die Wirtschaftspolitik aller europäischen Staaten vom 
16. bis 18. Jahrhundert, ist ein wirtschaftspolitisches System mit ausgesprochen universa- 
listischer Zielsezung“ und „sucht sein Ziel ~ das Wohl des Ganzen — durch weitgehende 
Bindung des Wirtschaftslebens an rechtliche Normen zu erreichen“. 
Die Zielsezung des Lib er ali s mu s ist im Gegensatz zu derjenigen des Merkan- 
tilismus ausgesprochen individualistisch. „In der von ihm befürworteten Wirtschafts- 
ordnung wird grundsätzlich der Willkür der einzelnen der weiteste Spielraum gewährt. 
~ Er beruhte auf dem Glauben an eine natürliche Ordnung der gesellschaftlichen 
Beziehungen (einem ordre naturel), die man verwirklichen zu können glaubte, wenn man 
den Elementen der Gesellschaftt – den Einzelpersonen ~ die völlige Bewegungsfreiheit 
verschaffte. – Der ökonomische Liberalismus erwies sich als eine den Interessen des 
nach Abwerfung der Fesseln, die ihm der Merkantilismus angelegt hatte, verlangenden 
Kapitalismus angemessene Ideologie und gewann dadurch eine große pratktische Durch- 
schlagskraft. Er wurde das wirtsschaftspolitische System, das im 19. Jahrhundert im 
Innern der Staaten fast vollständig, in den Beziehungen der Staaten zueinander wenigstens 
eine Zeitlang zur Herrschaft gelangte.“ 
Die im Laufe des 19. Jahrhunderts zur Verwirklichung der liberalistischen Ideen 
ergriffenen Gesetzes- und Verwaltungsmaßnahmen waren in der Hauptsache „Befreiungen“ 
von den Bindungen des Merkantilismus. In der Forstwirtschaft handelte es sich vor allem 
um die Aufhebung der Gemeinheiten und um die Befreiung der privaten Forstwirtschaft 
von den Fesseln der staatlichen Bevormundung. Die in fast allen Ländern Deutschlands 
einsezende Beseitigung der auf den Wäldern lastenden Forstnutzungsrechte war der 
Forderung der Forstwirtschaft sehr dienlich. Eine mehr oder weniger verderbliche Wirkung 
zeitigten jedoch die radikalen Bestrebungen, welche auf eine Beseitigung des ganzen Staats- 
waldbessitzes durch Verkauf an Private und auf eine vollkommene Befreiung der privaten 
Forstwirtschaft hinzielten. Die liberalistische Ansicht, daß der Staat zum Betrieb von 
Gewerben gänzlich ungeeignet sei, veranlaßte besonders in Preußen und Bayern die 
Veräußerung größerer Staatswaldflächen. Es bedurfte erst der mahnenden Stimmen 
hervorragender Fachleute, wie G. L. Hartigs, um diese Veräußerungen, welche eine immer 
weiter um sich greifende Zerstückelung und Zerstörung des Waldes im Gefolge hatten, 
zur Einstellung zu bringen. Die Bestrebungen zur völligen Freigabe der privaten Forst- 
wirtschaft vermochten in Süddeutschland, wo sich die alte auf weitestgehender staatlicher 
Bevormundung beruhende Forstgeseßgebung bis in unsere Tage hinein erhalten hat, 
überhaupt nicht durchzudringen, in Norddeutschland, besonders in Preußen aber, wo sie 
zur Herrschaft gelangten, zeigten sich die üblen Folgen der völligen Freigabe bald in einer 
erschreckend um sich greifenden Waldverwüstung, der man durch den Erlaß neuer gesetzlicher 
Beschränkung wieder Einhalt gebieten mußte.
	        
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