Full text: Amerikareise deutscher Gewerkschaftsführer

recht den wirtschaftlichen Internationalismus, d. h. den zweck- 
mässigen Güterverkehr über die ganze Welt fördern. 
Es ist sehr notwendig, die natürliche Tendenz zur Inter- 
nationalisierung der Wirtschaft nicht nur zu erkennen, sondern sie 
auch zu fördern und in die richtigen Bahnen zu lenken. Auch darin 
gibt das junge Amerika dem alten Europa eine handgreifliche Lehre. 
Die 48 Einzelstaaten des nordamerikanischen Bundes, ein Gebiet 
fast von der Grösse Europas, sind durch keine wirtschaftlichen 
Grenzmauern voneinander getrennt. Demgegenüber steht Europa 
mit seiner politischen und wirtschaftlichen Zerrissenheit, seinen die 
Lebensbedingungen verteuernden Zollmauern, seinen Handels- 
erschwerungen und Handelskriegen und der dadurch bedingten 
Unwirtschaftlichkeit seiner Gütererzeugung. 
Die Forderung nach dem wirtschaftlichen Zusammenschluss 
Europas ergibt sich geradezu zwangläufig aus der Betrachtung 
der amerikanischen Wirtschaft; für uns nicht als Endziel, sondern 
als Etappe zur Einheit der Weltwirtschaft. Wenn gegenwärtig 
diese alte Forderung der Arbeiterbewegung anscheinend von den 
massgebenden Kreisen in fast allen europäischen Ländern unter- 
stützt wird, so darf man sich freilich weder über die zu über- 
windenden Schwierigkeiten noch darüber täuschen, dass die Ziel- 
richtung keineswegs einheitlich ist. Noch überwiegt in den Kreisen 
der kapitalistischen Wirtschaftsleitungen die Vorstellung, dass die 
weltwirtschaftliche Aufgabe weniger in einer Anpassung des Ver- 
brauchs an die erreichten und noch zu vermehrenden Produktions- 
möglichkeiten, als vielmehr in einer planmässigen Beschränkung 
des „zu gross gewordenen“ Produktionsapparates zu suchen sei. 
Noch erhofft jede der beteiligten nationalen Gruppen durch eine 
europäische Wirtschaftsorganisation einen vermehrten Ausfuhr- 
überschuss für die eigene Wirtschaft, eine Hoffnung, die sich nicht 
verwirklichen kann. 
Das Kernproblem der europäischen Wirtschaft ist und bleibt die 
Steigerung der Massenkaufkraft. Mehr noch als sonstwo hängt in 
Deutschland die Kaufkraft von der allgemeinen Lohnhöhe ab, denn 
die Konsumkraft aus Ersparnissen ist durch die Inflation vernichtet. 
So wird es vollkommen klar, dass der gewerkschaftliche Kampf 
um die Steigerung der Löhne nicht nur eine soziale Notwendigkeit, 
sondern darüber hinaus eine Aufgabe ist, von deren Gelingen die 
Höherentwicklung der gesamten Wirtschaft abhängt. 
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