Mazzini, der Denker und Verbreiter großer Ideen, Cavour, der große
Staatsmann und Realpolitiker, hatten lange in England gelebt und von ‘der
englischen Schule nicht nur die Lehre von der Freiheit, sondern, was mehr ist,
das Gefühl dafür geerbt. Mazzini, der Schöpfer des Einheitsbewußtseins Ita-
liens, verzichtete auf alle Ehren, opferte selbst seinen Plan und sein republika-
nisches Ideal, als er der Monarchie nicht widerstrebte um der Einheit willen
(weder Apostat, noch Rebell, wie er sagte). Er liebte aber doch die Freiheit
noch mehr als sein Vaterland. „Ich liebe die Freiheit,“ sagte er, „und liebe
sie vielleicht noch mehr als das Vaterland. Ohne Freiheit ist das Vaterland
ein Kerker.“
Alle Programme, die Europa im Laufe eines Jahrhunderts verwirklicht
hat, verdankt man vor allem den freiheitlichen Lehren und Einrichtungen :
Fortschritt des Geistes, der Ideen, des Wohlstands. Wenn Europa vor dem
Krieg so reich und entwickelt war, verdanken wir das vor allem den freien
Staatsverfassungen, der politischen und wirtschaftlichen Freiheit.
Selbst während des Krieges boten die freien Völker einen viel stärkeren
Widerstand als die autokratisch Regierten, an deren Zusammenbruch aller-
dings auch andere, vor allem ökonomische Faktoren schuld hatten. Aber
mit welchem Argument hat die Entente erst Italien und dann Amerika in
den Krieg zu ziehen gewußt? Hat sie nicht proklamiert, daß der zentrali-
stische Germanismus die Verleugnung der Freiheit und das Ende der Demo-
kratie bedeute? Hätte Amerika, der entscheidende Faktor des Krieges, daran
teil genommen, wenn nicht die Freiheit bedroht geschienen hätte?
Noch erinnere ich mich gelegentlich meiner Reise nach Amerika unmittel-
bar nach dem Eintreten des amerikanischen Volkes in den Krieg der Reden
Wilsons und seiner wichtigsten Mitarbeiter. War die Vergewaltigung Belgiens
durch Deutschland schon ein bedeutsames Argument, so war die Bedrohung
der Freiheit aller europäischen Völker ein noch bedeutsameres. Wie oft wurde
ich im Gespräch gefragt: „Glauben Sie, daß Wilhelm II., wenn er siegte,
sein System überall aufzwingen würde? Glauben Sie, dies würde das Ende
der freien Staatsverfassungen sein ?“
Und heute, nachdem wir im Namen der freien Verfassungen gekämpft und
im Namen der Freiheit, mit Hilfe der freien Völker gesiegt haben, sind doch
bei einzelnen Völkern starke reaktionäre Strömungen groß geworden ; einige
haben unter dem Druck diktatorischer Systeme, die an ferne Kulturen und
primitive Völker erinnern, ihre Freiheit verloren.
7A