liches Gut und seine gesamten Kolonien unter dem Vorwand weggenommen,
daß es Grausamkeiten begangen habe (die Völker Asiens und Afrikas wissen
von den Grausamkeiten anderer europäischer Staaten viel zu sagen) und daß
man ihm die Stützpunkte seiner imperialistischen Politik nehmen müsse. Die
Entschädigungen waren Anlaß zu den ungeheuerlichsten Irrtümern und
Täuschungen. Selbst verantwortliche Minister siegreicher Länder haben gegen
alle Vernunft von Entschädigungen von zweihundertfünfzig, dreihundert, ja
bis zu fünfhundert Milliarden Goldmark gesprochen. So entstand für lange
Zeit eine sinnlose Politik gegen Deutschland, aber auch viel unheilvolle
Täuschung bei den Siegern, welche jetzt darunter bitter zu leiden haben.
Man hat lange ernsthaft erwogen, Deutschland das linke Rheinufer mit
elf Millionen Deutschen zu nehmen. Die Ruhrbesetzung, gegen den Vertrag
und ohne Volksbeschluß vollzogen, hat eine unhaltbare Lage geschaffen, die
den durch nichts zu verteidigenden Fehler des Korridors von Danzig ver-
größerte. Lange Zeit hat man immer wieder gegen besseres Wissen gesagt, die
Deutschen seien allein verantwortlich für den Krieg, sie seien die Hunnen
und Barbaren Europas, die Boches, sie seien die Feinde der Kultur. Ange-
sehene und verantwortliche Männer gingen so weit, immer wieder zu sagen,
der Eintritt Deutschlands in den Völkerbund sei nicht eilig. Un jour viendra,
wo sein Eintritt erfolgen werde, aber erst nach dem der Türkei und nach dem
aller anderen Völker.
Welche Irrtümer, welche gefährlichen Irrtümer! Wirtschaftliche Nachteile
kann man vergessen, aber moralische Beleidigungen nicht! Deutschland hat
widerstanden. Es hat sich die bittersten Entbehrungen auferlegt. Sein Geld-
umlauf ist wieder gesund. Überall verjagt, setzt es sich überall wieder durch
dank seinen Arbeitsanstrengungen und seiner Zucht. Es ist Deutschland ge-
lungen, einen starken, einheitlichen Geist zu bilden, den es vielleicht vor dem
Krieg nicht hatte; es hat sich eine Demokratie erschaffen. Durch eine Reihe
von Irrtümern hindurch hat es einen unüberwindlichen Willen zum Leben
gezeigt. Dann aber veränderte sich Alles. Die törichten wirtschaftlichen For-
derungen hörten auf. Es tauchte der Dawes-Plan auf, d.h. mein Vorschlag
von 1919 und 1920, der damals einen unverdienten Streit gegen mich her-
vorgerufen hatte.
Als Präsident der Konferenz von San Remo schlug ich im Jahre 1920 im
Einverständnis mit Lloyd George vor, den nutzlosen Besatzungen und Gewalt-
samkeiten sowie den unerhörten Forderungen der lächerlichen Reparations-
kommission ein Ende zu machen und im Einverständnis mit den Deutschen
einen ernsthaften und sicheren Plan für die Entschädigungen festzusetzen.
67