Full text: Die Lehre vom Volksreichtum

er durch private Erwerbstätigkeit gewinnt. Die Aufwendungen der Gemeinschaft 
auf diesem Gebiete sind ein Verbrauch, und zwar ein vergesellschafteter Verbrauch, 
indem gewisse Bedürfnisse aus dem Bereich der privaten Tätigkeit herausgehoben 
und zum Gegenstande gemeinschaftlicher Deckung gemacht werden. Was der Einzel- 
mensch auf diesem Wege bekommt, hat er bezahlt, so wie irgendein Vergnügen, das 
er sich auf eigene Faust verschafft hat. Allerdings erfolgt die Bezahlung nicht nach 
der privatwirtschaftlichen Methode der Abgleichung zwischen jeder einzelnen Leistung 
und Gegenleistung, sondern nach der gemeinwirtsschaftlichen Methode, welche die 
Leistungen nach der Leistungsfähigkeit und die Gegenleistungen nach der Bedürftig- 
keit der Mitglieder abstuft. Die Bedürfnisse sind immer nur persönlicher Art, die 
Bedürfnisse der Gemeinschaft daher nur von denen der Menschen abgeleitet. Der 
Deckung des vergessellschafteten Bedarfes dienen die Werte der Gemeinschaft selbst, 
also hauptsächlich der Staatsreichtum, während der Volksreichtum, die gedankliche 
Zusammenfassung aller Reichtümer im Lande, mehr im Sinne einer Förderung 
der produktiven Tätigkeit der Einzelwirtschaften zu beeinflussen ist. Da das Inter- 
esse der Allgemeinheit der einzige Beweggrund für die Beeinflussung ist, so steht der 
Volksreichtum mit dem Gemeinwohl in einer viel innigeren Verbindung als der 
Einzelreichtum mit dem Einzelwohl. 
6. Volksvermögen und Volkseinkommen. 
Die Wertsumme, die man im Begriffe des Volksreichtums heranzieht, kann aber 
verschieden bestimmt sein. Man kann jene Werte zusammenfassen, über die ein 
Wirtschaftssubjekt in einem bestimmten Augenblicke verfügt, also das Vermögen, 
oder jene, welche ein Wirtschaftssubjekt in einem bestimmten Zeitabschnitt, gewöhn- 
lich einem Jahr, erhält, also das Einkommen. Jn der volkswirtschaftlichen Literatur 
zeigt sich ein eigentümliches Schwanken, indem für die Beurteilung des Voltksreich- 
tums bald das Voltsvermögen und bald das Volkseinkommen herangezogen wird. 
Die Merkantilissten, welche die im gewöhnlichen Sprachgebrauch gangbaren Aus- 
drücke einfach vom Einzelmenschen auf das Volk übertrugen, gingen vom Vermögen 
aus, denn als reich pflegt man nur den Menschen zu bezeichnen, der mehr hat als 
ein anderer, nicht auch denjenigen, der mehr erhält als ein anderer. Auch der 
Physiokrat A. R. J. Turgot (Réllexions sur la kormation et la distribution des 
riehesses, 1770, S. 90) hält sich an das Vermögen, denn er erklärt: „Der gesamte 
Reichtum eines Landes ist zusammengesetzt: 1. aus dem kapitalisierten Reinertrag 
alles Grund und Bodens; 2. aus der Summee aller beweglichen Güter, die ein Volk 
besittt.“ Den übergang zur Betrachtung des Volkseinkommens bereitete aber der 
Urheber der physiokratischen Lehre, Frangois Q u e s n a y, vor, der in seinem 
gerühmten tablean économique von jährlichen Reichtümern (,.riehesses annuelles'’) 
spricht, an einzelnen Stellen seiner Werke Grund und Boden nicht selbst als Reich- 
tum, sondern als Reichtumsquelle (..Ila terre est l'unique source des richesses“) 
ansieht und den Reichtum als einen Güterstrom hinstellt, der durch Verbrauch zer- 
stört und durch Arbeit immer wieder erneuert wird („L'argent en tant que monnaie, 
n'est point du genre des richesses que les hommes recherchent pour satisfaire 
à leurs besoins; cellesrci ne sont qu'un flux de productions continuellement 
détruites par la consommation, et continuellement renouvellées par les travaux 
des hommes‘). Adam S m i t h (An Inquiry into the Nature and Causes ok the 
Wealth of Nations, 1776) stellt gleich an die Spitze seines Werkes den Sat, daß der 
Reichtum des Volkes in dem jährlichen Ertrag seiner Arbeit besteht, der alle mit
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.