Abschließung und Gleichheit, beziehen sich vorwiegend auf das
Verhältnis der Stände. Wo eine schroffe Sonderung der Stände
besteht ist das ganze Volksleben aristokratisch. Tritt dazu noch
jene Fülle nationaler, religiöser, ökonomischer Momente, welche
die krasseste Ausartung des Ständewesens, die indischen Kasten,
verstärken, so ist die aristokratische Richtung für Volk und Staat
ein für allemal vorgezeichnet. Hindostan hat, seit es seine Kasten
besitzt, nie andere als aristokratische Verfassungen gehabt. Der
Staat war hier oft Aristokratie mit despotischer Spitze, aber nie-
mals reine Monarchie oder gar Demokratie. Seine Eroberer ver-
schmolzen entweder mit den obersten Kasten oder sie bildeten
— bald rechtlich bald tatsächlich — eine neue Kaste über ihnen,
wie jetzt die Briten. Im Vergleich mit diesem durch das Stände-
wesen. gegebenen Charakter von Volk und Staat ist die Frage
nach der Herrschaftsform des Staates von geringerer Bedeutung,
Man halte das Frankreich von heute mit dem Reiche Ludwigs XIV:
zusammen. In beiden ein schrankenloser Despotismus. T-rotz-
dem ist eine Parallele zwischen ihnen nicht zu ziehen, nicht wegen
des Schattens einer parlamentarischen Körperschaft, die neben
dem Throne Napoleons IIT. steht (bestand doch ein ähnliches
Gegengewicht in anderer Form, aber mit mehr realer Macht,
unter den Bourbons), sondern wegen der völligen Umgestaltung
der Volksstände,
Nicht bloß aus dem Begriffe einzelner Staatsgattungen, wie
des Patrimonialstaates, ergibt sich von selbst eine bestimmte
Stellung der Stände: der gesamte Kampf der Stände, der sich
in den meisten Staaten unter den verschiedensten Formen wieder-
holt, ist eine politische Machtfrage. Das Verhältnis der Stände
zueinander wird durch ihre Stellung zur Staatsgewalt bestimmt;
daraus ergibt sich die Unterscheidung von herrschenden und be-
herrschten Klassen. Und wieder unter den Beherrschten treten
einzelne Stände ausgezeichnet vor den übrigen hervor, wenn sie
mit der Staatsgewalt in näherer Verbindung stehen; ich erinnere
an die russischen Kronbauern, an unsere weiland königlichen
Hintersassen, Jede Änderung der Macht eines Standes verändert
sowohl das Volk als den Staat. Wenn ein herrschender oder be-
vorzugter Adel abnimmt an Reichtum, Bildung und politischer
Aufopferung oder wenn die übrigen Stände ihn in all diesen Be-
ziehungen erreichen, so verliert der Adel die innere Berechtigung
zur Herrschaft, der Staat wird krank und eine Verwandlung der
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