Full text: Die Gesellschaftswissenschaft

ausgezeichneten Arbeit!) die Emanzipation der Sklaven in den 
englischen Kolonien eines der wichtigsten politischen KEreig- 
nisse der Neuzeit. 
Schon vorhin ward die heterogene Natur der Bestandteile 
des vierten Standes hervorgehoben. Insbesondere steht in vielen 
Ländern das Landvolk durch die Stabilität seines Lebens den 
anderen Klassen sehr schroff gegenüber; im Gemeindewesen 
kann man in sehr vielen Teilen Deutschlands von einem Bauern- 
stande reden. Doch ist Riehls Behauptung, die Bauern seien 
der Stand des sozialen Beharrens, in dieser Allgemeinheit unhalt- 
bar der Tatsache gegenüber, daß kein Teil unseres Volkes in dem 
letzten halben Jahrhunderte größere soziale Umwälzungen durch- 
gemacht hat, als die Bauern. Ebenso irrig ist es die industriellen 
Arbeiter als die natürlichen Ruhestörer der Gesellschaft zu be- 
trachten. Die kurze Geschichte dieser Klassen erlaubt es nicht 
schon jetzt ein abschließendes Urteil über ihren Charakter zu 
fällen; doch — wo nicht die bitterste Not drängt oder unverständige 
Gesetze aufreizen — läßt sich ihnen weit eher das Gegenteil nach- 
rühmen. — Gemeinsame Eigenschaft aller dieser Gruppen bleibt 
die verhältnismäßig geringe Teilnahme am staatlichen Leben. 
Diese drei großen Gruppen, Adel, Mittelstand und vierter 
Stand, mögen jene Bestandteile des Volkes sein, die sich — bald 
lebenskräftig, bald nur in schwachen Anfängen oder Überresten 
— in den meisten Staaten Westeuropas vorfinden. Es kann nicht 
scharf genug hervorgehoben werden, daß eine staatsrechtliche 
Scheidung derselben — bei der Fruchtbarkeit unseres Kultur- 
lebens an sozialen Gestaltungen — nur vom Übel sein kann. 
Die Politik aber muß den Charakter und die Mischung dieser 
Gruppen in den einzelnen Staaten kennen, weil ohne dies ein 
Urteil über die Verfassungsformen unmöglich ist. 
6. GEBILDETE UND UNGEBILDEZIE. 
Die hier geschilderten Volksklassen weichen ab von den 
Ständen nach Mohls Auffassung, deren Begriff in der Verschieden- 
heit des Rechtes liegt?). Desto mehr berühren sie sich mit einer 
1) Zeitschr. f. St.-Wiss. I. 483. 
2) Mohl a. a. O0. I, 139 
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