Full text: Die Gesellschaftswissenschaft

abhängig sein von den persönlichen Erfahrungen und Anschauungen 
ihrer Bearbeiter. Während ihrer eigenen Fächer nicht allzuviele 
sind, dient ihr der größere Teil des gesamten menschlichen Wissens 
als Hilfswissenschaft. Darum ist ihr niemand gefährlicher als der 
Dilettantismus, welcher meint, mit einigen geistreichen Einfällen, 
einigen aus einem ganz engen Erfahrungskreise entnommenen 
Beobachtungen sei die Wissenschaft reformiert). 
13. STAAT UND GESELLSCHAFT. 
IHRE WECHSELWIRKUNG. 
Ist der Staat das Volk in seinem einheitlich geordneten Zu- 
sammenleben, so handelt man wohl am einfachsten und dem 
Sprachgebrauche gemäß, wenn man unter Gesellschaft die mannig- 
fachen Sonderbestrebungen der Volksglieder versteht, jenes Netz 
von Abhängigkeiten aller Art, das durch den Verkehr entsteht 9) 
Der Staat ist die Gesellschaft in ihrer eigentlichen Organisation; 
darum steht er im Gegensatze zu dem Partikularismus der einzelnen 
sozialen Kreise. Der Staat umfaßt das gesamte Volksleben, in- 
dem er alle diese Sonderverhältnisse durch das Recht ordnet und 
versittlicht und durch seine Macht ihre Unabhängigkeit nach 
außen wahrt. Obwohl die Verbindungen der Gesellschaft sich 
oft über den Staat hinaus erstrecken, so werden sie doch in ihrer 
äußern Erscheinung durch den Staat bestimmt und begrenzt. 
Jedes soziale Gebilde strebt nach Anerkennung durch den Staat, 
nach einer Machtstellung in der Volkseinheit. Es ist also gerecht- 
fertigt von der bürgerlichen Gesellschaft eines Staates zu reden. 
?) Kastners „kritische Bemerkungen zu W. H. Riehls bürgerlicher 
Gesellschaft“ (Nürnberg 1857), welche erst während des Druckes dieser 
Bogen in meine Hände gelangten, kommen hier nicht in Betracht. Der 
Verfasser ist mit der Erschaffung einer Wissenschaft vom Volke ganz 
einverstanden und richtet seine Polemik nur gegen einzelne Behaup- 
‘tungen Riehls, 
?) Ähnlich erklärt Schleiermacher (Sittenlehre S. 274, Werke. 
Zur Philosophie: Bd. V —) den Staat für die Form, welche sich auf die 
identisch organisierende Tätigkeit bezieht, die freie Geselligkeit. für die 
Form, welche auf die individuell organisierende Tätigkeit Bezug hat. 
Er führt aber neben diesen beiden ethischen Formen noch Wissenschaft 
und Kirche auf. 
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