DIELEHRE VON GENF
Der Erfolg.
Die vom Völkerbund nach Genf geladene Weltwirtschafts-
konferenz, die vom 4. bis zum 23. Mai 1927 getagt hat, ist ein
Erfolg geworden. Vor allem, sie soll es in der Zukunft wer-
den — so sehr auch die Sonderinteressen sich zweifellos be-
mühen werden, den tatsächlichen ‚Erfolg zu verdunkeln und seine
Auswirkung zu verhindern,
Eine noch weit verbreitete Stimmung kommt ihnen dabei zu
Hilfe, Denn Skepsis stand ja am Beginn dieser Konferenz. Und
Skepsis der von ferne zuhörenden Völker — die ja größtenteils
nur Unvollständiges, Unzusammenhängendes, Gelegentliches ver-
nahmen — hat sie weithin begleitet, fast bis zum Schluß. Man
komme sich wie in einem Schattentheater vor, meinte ein eng-
lischer Beobachter: ‚die Delegierten haben kein Mandat, für ihre
Regierungen zu reden, und noch weniger eine Vollmacht, Ent-
scheidungen zu treffen; es fehle die Realität in diesem ganzen
Getriebe. In der Tat, hier lag eine Schwäche. Der Völkerbund
hatte, um die Genfer Konferenz nicht so wie die Genueser von
1922 aus einer Wirtschaftskonferenz wieder zu einer rein poli-
tischen werden zu lassen, besonderes Gewicht auf den gewisser-
maßen privaten Charakter ihrer Teilnehmer gelegt. In Genua
standen die leitenden Staatsmänner an der Spitze ihrer Dels-
gationen: Lloyd George, Wirth, Rathenau, Tschitscherin, Benesch
und all die anderen — auch Herrn Poincare, damals wie heute
Ministerpräsidenten von Frankreich, in den Kreis der anderen auf
der Konferenz zu bringen, war in Genua das heiße Bemühen, das
freilich mißlang. Diesmal gab es — jedenfalls offiziell — über-
haupt keine nationalen Delegationen. Wohl war die große Mehr-
zahl der Delegierten von den Regierungen ernannt; aber die so
Ernannten sollten — jedenfalls offiziell — als selbständige
Sachverständige jeder für sich auftreten, ihre Regierungen
nicht verpflichtend, aber auch nicht an deren Auftrag gebunden.
Nicht Staatsmänner und Politiker wie in Genua, sondern Fach-
leute der Wirtschaft und der Wirtschaftspolitik bildeten in Genf
das Gremium der Konferenz: Beamte in der Minderzahl, Praktiker
(Arbeitgeber und sehr viel weniger Arbeitnehmer), Gelehrte usw.
in der Mehrzahl. Keine Politiker also, hieß das Rezept für
die Entpolitisierung der Wirtschaftskonferenz; man kann nicht
sagen, daß es sich bewährte. Und dies ist eine nützliche Erkennt-
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