durch die Fremdeinstellung beeinträchtigt wird. Sie haben ihre
meisten sog. Ansichten gar nicht selbst gebildet, sondern von
andern. übernommen, wenn sie ihnen auch als ihr eigenes Gut er-
scheinen. Die Ansichten der Lehrer und Erzieher oder auch die
unserer Mitschüler oder Mitzöglinge, die Ansichten der Bücher,
die wir gelesen, der Vorträge, die wir gehört haben, vor allem die
der Presse eignen wir uns in vielen Fällen unwillkürlich an, um
sie dann als eigene von uns zu geben. Selbst der Gelehrte kann
zumal im umfangreichen Gebiet der Kulturwissenschaften nur
einen geringen Teil der Ansichten seiner Zeit auf ihre Richtig-
keit prüfen. Auch er eignet sich die Berichte und Werturteile
seiner Zeitgenossen und Vorgänger in großem Umfang an, ohne
immer seiner Abhängigkeit bewußt zu bleiben. Insbesondere die
fortwährende Wiederholung derselben Ansichten ist geeignet, sie
auch anderen zu suggerieren, wie unter anderem auch die Ge-
schichte des Sozialismus deutlich zeigt. Bedeutsam für die Über-
nahme von Ansichten und überhaupt für die Einstellung ist vor
allem die Autorität der Stellen, welche sie aussprechen. So ist
die Hochachtung vor dem geschriebenen Wort einer der Gründe
des Einflusses der Presse, die in weitem Umfang die Ansichten
der Leser geradezu fabriziert.
Diese Tatsachen berücksichtigt der Politiker, wenn er die Aus-
wahl der Lehrer nach ihrer politischen oder religiösen Gesinnung
anstrebt oder vollzieht. Wer die Jugend hat, hat die Zukunft.
Wer in einer bestimmten politischen Sphäre erzogen wird, der
wird dadurch im allgemeinen auch im späteren Leben die frag-
liche politische Richtung vertreten und die begeisterten Vertreter
einer Religionsgemeinschaft sind im allgemeinen nicht die-
jenigen, die auf Grund umfänglicher, vergleichender religions-
wissenschaftlicher Studien den Wert der Lehren dieser Gemein-
schaft abgeleitet haben, sondern diejenigen, welche in dieser Ge-
Mmeinschaft erzogen wurden.
Die Bedeutung der gegenseitigen Einstellung kommt beson-
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