Rationalisierung im Buchgewerbe
und im Buchhandel
VON DR. WALTHER LOHMEYER (ZÜRICH)
FRANKFURTER ZEITUNG
I MORGENBLATT VOM 3. JUNI 1926
Wer einem deutschen Verleger oder Buchhändler noch vor
einem halben Jahr von Planarbeit hätte sprechen wollen,
wäre überlegener Ironie oder heftigem Kopfschütteln begegnet,
Buch und Rationalisierung — eine contradictio in adjecto;
Persönlichkeiten haben ihm seine Stellung geschaffen, die Viel-
gestalt unseres Geisteslebens fordert individuelle Form und freie
Mittler. Dieser Idealismus kämpft heute auf dem rauhen Boden
neuer wirtschaftlicher Tatsachen um sein Leben. Er erkannte
zu spät das Wesen der Abbaukrisis, die Tragweite des Wett-
bewerbs der neuen Anregungs- und Belehrungsmittel und die
mangelnde Anpassungsfähigkeit seiner alten Zunftverfassung.
Seine Ueber-Erzeugung suchte er durch Steigerung der
Buchhändlerrabatte und der Propaganda abzusetzen zu immer
höher getriebenen Preisen, Die Stockung auf dem Buchmarkt
übertrifit alles anderwärts Erlebte; wirtschaftliche Ratlosigkeit
droht das Unheil zu vergrößern,
Die Mißstimmung des Publikums nützten ein paar freie
Verlage zu einem Ueberraschungserfolg, indem sie einige Zeit-
forderungen erfüllten: Organisation der Käufer durch das
Abonnement; Umsatz- und Gelderleichterung durch Teilzahlung,
Anpassung der Erzeugung an die sicher erfaßbare Kaufkrait,
Beschränkung auf die effektivsten Werbemittel, Vereinfachung
_— hier sogar Versuch der Ausschaltung des Zwischenhandels.
Die sogenannten Buchgemeinscha ften vermochten bei
sicherer Gewinnrechnung den Buchpreis unter die Hälfte zu
drücken und von der entlliehenden Kaufkraft im letzten Jahre
mindestens dreißig Millionen Mark für sich abzufangen.
AO