Full text: Führer durch die Wirtschaft der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken

Eine wichtige Frage für den Import ist selbstverständlich die Frage 
der Kreditgewährung. - Die Sowjetunion, die alle ihre geschäftlichen Ver- 
pflichtungen auf das pünktlichste erfüllt, ist nicht in der Lage, ausschließ- 
lich Bargeschäfte zu tätigen und auf die Kreditvergünstigungen zu ver- 
zichten, die allen anderen Kontrahenten gewährt werden. In letzter 
Zeit wurden in dieser Hinsicht auch Erfolge erzielt; besonders amerika- 
nische und englische Firmen kamen den Vertretern der Union zum 
Teil bei der Gewährung von Zahlungsbedingungen entgegen, Auch die 
deutschen Firmen, die ja für den industriellen Import der Sowjetunion in 
erster Linie in Betracht kämen und an diesem Geschäft selbst ein großes 
Interesse haben, haben ihre Bereitwilligkeit zur Kreditgewährung viel- 
fach gezeigt, jedoch war durch ihre Kapitalknappheit sowie auch 
oft durch einen gewissen Skeptizismus die großzügige Entwicklung des 
Geschäfts noch gehemmt. Der in diesem Jahre der Handelsvertretung 
durch die Deutsche Bank eröffnete Kredit von 100 Mill. Mark war z. B. 
so kurzfristig, daß er trotz beiderseitigen guten Willens nicht voll aus- 
genutzt werden konnte, So ist in den letzten Jahren, gerade aus diesem 
Grunde, zuerst England, dann Amerika in der Einfuhr der Sowjetunion 
an die erste Stelle gerückt. Doch sind in letzter Zeit auch in 
Deutschland wieder Aufträge, besonders von Maschinen und elektro- 
technischen Artikeln, vergeben worden, und die enge wirtschaftliche Zu- 
sammengehörigkeit der beiden Länder wird zweifellos auch im Außen- 
handel der kommenden Jahre ihren Ausdruck finden. Der am 12. Ok- 
tober 1925 abgeschlossene Handelsvertrag ist eine Etappe auf 
diesem Weg. 
£iner der Grundpfeiler des Gebäudes der heutigen Volkswirt- 
schaft in der UdSSR. ist das Finanz-undKreditwesen. Bis zu 
der im März 1924 durchgeführten Geldreform hatte bekanntlich der Be- 
ginn des Aufbauprozesses die Inflation als Begleiterscheinung. Vor dem 
Beginn der Inflationsperiode war die Industrie in der denkbar schlechte- 
sten Lage, während die Landwirtschaft infolge ihrer einfacheren Pro- 
duktions- und Absatzbedingungen erheblich bessere Finanzierungsmög- 
lichkeiten hatte. Die Verbesserung der Lage der Industrie erreichte man 
nun zum großen Teil durch die Emissionssteuer, die wesentlich von der 
bäuerlichen Bevölkerung getragen und ‚deren Ertrag der Industrie 
zugewendet wurde. Diese Umschichtung der Werte war notwendig, aber 
sie hatte die Entwertung der Rubelnoten und damit die allmähliche Zer- 
rüttung des Zahlungsverkehrs zur Folge. So schritt man 1923 zur Aus- 
gabe von Tscherwonez-Noten, die durch reale Werte gedeckt waren, 
Dieser Schritt mußte im Jahre 1924 durch eine Reihe von Stabilisierungs- 
maßnahmen (Krediteinschränkung, Preisherabsetzung für Industriewaren) 
ergänzt werden, damit der ganze Verkehr ausschließlich auf Tscherwo- 
nezwährung umgestellt werden konnte. Diese Maßnahmen wurden von 
der Industrie, wie die oben angeführten Produktions- und Absatzziffern 
beweisen, ohne schwerere Erschütterungen getragen und ermöglichten 
erst die seitdem andauernde hohe Konjunktur im Verhältnis zwischen 
Stadt und Land. Dabei stieg die Kaufkraft der umlaufenden Geldmengen 
während des ganzen Aufbauprozesses, und noch mehr nach der Stabili- 
sierung, ununterbrochen, wie aus folgender Tabelle ersichtlich ist:
	        
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