eine unangenehme Berührung gekommen wären, wenn
sie sich des Alkohols enthalten hätten. Es haben sich
auch die Bezeichnungen Trinkerfürsorge, Trinkerfürsorge-
stelle und dergleichen als wenig förderlich erwiesen, weil
nach den gemachten Erfahrungen der Ausdruck Trinker
schon einen sicheren Widerspruch bei den Geladenen
auslöst. Die Polizeidirektion hat daher den Ausdruck
Trinker durch trunkgefährdet ersetzt und damit immerhin
einigen Erfolg erzielt.
Auf Grund des Ergebnisses der Beratung erfolgt zu-
meist ein Hausbesuch, erforderlichenfalls wird Familien-
fürsorge (durch den gemeinsamen Fürsorgenachweis, das
zuständige Bezirksjugendamt) eingeleitet, eine etwa not-
wendige Unterstützung (durch das zuständige Fürsorge-
institut), Empfehlung zur Arbeitszuweisung (durch Ar-
beitsvermittlungsstellen) in Antrag gebracht. Bei schweren
Fällen wird die Untersuchung durch den Amtsarzt (Ab-
gabe in die Trinkerheilstätte, in eine Heilanstalt über-
haupt) veranlaßt. Erweist‘ sich die Einleitung eines Ent-
mündigungsverfahrens als zweckdienlich, so werden die
Angehörigen an die zuständige Stelle verwiesen. Wegen
Alkoholanständen Bestrafte werden unter Umständen
‚ur Begnadigung mit der Wirkung der bedingten Ver-
ırteilung empfohlen. In den bezüglichen Anträgen, die
uf den bei der Beratung gewonnenen Eindrücken und
len Ergebnissen der Hausbesuche beruhen, wird, je nach
Yerschiedenheit des Falles, beantragt: Stellung unter
ichutzaufsicht der Fürsorgestelle des Wohnbezirkes auf
cürzere oder längere Zeit (in der Regel ein, in schweren
"ällen zwei Jahre). Verpflichtung zum Erlage von Sühne-
jeträgen zu Wohlfahrtszwecken, die bei Erlag verfallen
ind, das heißt auch bei Rückfall nicht rückerstattet
verden, in besonders schweren Fällen, in denen nach
irztlichem Gutachten Enthaltsamkeit geboten ist, Ver-
»flichtung zum Nachweise des Anschlusses an einen Ab-
;tinenzverein binnen kurzer‘ Frist (vierzehn Tage bis
iußerstens vier Wochen).
Die versuchsweise Anwendung des Dr. Pollardschen
Systemes, allerdings in anderer, der inländischen Gesetz-
gebung angepaßten Form, soll recht gute Erfolge zeitigen;
;o wurden im Verlaufe des‘ Jahres 1025 im ganzen
174 Gnadenanträge gestellt, davon 448 genehmigt und
nur 24 Rückfälle festgestellt, das sind nur 5°36 Prozent.
Fine weitere Anwendung dieses Systemes wird geplant.
KROPF UND KRETINISMUS
Von Sektionsrat Prof. Dr. Ernst Brezina.
Der Kropf und Kretinismus war in den österreichischen
Alpenländern besonders in einzelnen Tälern seit jeher
endemisch. Hofrat Prof. Dr. Wagner hatte diese Krank-
heitserscheinung neben anderen eingehend studiert und
bereits vor langer Zeit angeregt, in den Gegenden mit
endemischem Kropf und Kretinismus, der Bevölkerung
statt des gewöhnlichen Salzes ein mit kleinsten Mengen
von Jodkali versetztes Salz abzugeben, um auf
diese Art eine Bekämpfung dieser Krankheit im Großen
durchzuführen. Dieser Vorschlag konnte sich ursprüng-
lich nicht durchsetzen. Erst als im Kriege und in den
ersten Nachkriegsjahren aus heute noch unbekannten
Ursachen, der Kropf oder vielleicht besser gesagt der
Blähhals eine auch dem Laien ‚auffallende Verbreitung
Nicht nur in Oesterreich sondern auch anderwärts zeigte,
griff man auf den seinerzeitigen Vorschlag Wagners, das
Kochsalz zu jodieren, in Oesterreich wieder zurück, und
dank dem verständnisvollen Entgegenkommen der
Generaldirektion der österreichischen Salinen gelang es
binnen kurzer Zeit, bereits im Jahre 1923, der Bevölke-
rung neben dem gewöhnlichen Salze auch ein mit je
0.005 Gramm Jodkali pro Kilogramm Salz versetztes
sogenanntes Vollsalz, im Handel zur Verfügung zu stellen,
Nachdem bereits vorher in der Schweiz eine solche
Aktion eingeleitet worden war. ;
Statistische Erhebungen über die Kropfhäufig-
keit in den Volks- und Bürgerschulen Oesterreichs waren
dieser nun auch bei uns durchgeführten Jodierung des
Kochsalzes vorausgegangen, Belehrung über die Gefahren
des Kropfes und Aufklärung über seine Verhütung be-
zleiteten sie, so daß das jodierte Salz sich bald bei der
Bevölkerung Oesterreichs einführte. Das Volksgesund-
neitsamt bediente sich natürlich bei der Einleitung und
Durchführung dieser Maßnahmen auch des Rates von
Sachverständigen auf dem Gebiete der Medizin, Chemie,
Zeologie und des Salzmonopoles, aus denen eine das
Ministerium beratende, sogenannte Kropfkommission
<onstituiert wurde. Nach vier Jahren Vollsalzerzeugung
wurden vom Volksgesundheitsamte neuerlich allerdings
ıur stichprobenweise in einzelnen Bezirken statistische
irhebungen über die Kropfhäufigkeit gemacht, welche
m allgemeinen einen Rückgang der Kropfhäufigkeit
’eststellen ließen.
Es kann heute wohl auch der Laie feststellen, das die
Jäufigkeit des Kropfes bzw. Blähhalses gegenüber der
ınmittelbaren Nachkriegsjahre sichtlich abgenommen hat.
Jb daran, ebenso wie an der statistisch erhobenen Ab-
ı1ahme des Kropfes, ausschließlich und allein dieJodierung
les Kochsalzes Schuld‘ ist, oder ob da noch andere
Vomente mitspielen, läßt sich schwer feststellen. Jeden-
'alls wird die Jodierung eines Teiles des Kochsalzes,
ınd zwar ungefähr ein Drittel der gesammten in unseren
Salinen erzeugten Kochsalsmenge, weiterhin mit Jodkali
zersetzt und in den Handel gebracht. Das verpackte
Yollsalz wirddurch einen roten Streifen erkenntlichgemacht.
Bemerkt sei, daß nach dem Beispiel Oesterreics
and der Schweiz auch in Deutschland mit der
Jodierung des Kochsalzes vorgegangen wurde, und daß
zegenwärtig ein Interesse für das Österreichische
jodierte Salz (Vollsalz) auch in Amerika besteht.