Historische Entwicklung.
Wer prüfend Rückschau hält, erkennt bald, daß das Problem der zweck⸗
mäßigsten Ordnung des Reiches und der Länder keineswegs neu ist.“ Da⸗s
Streben nach Unitarismus ebenso wie die Betonung des föderalistischen
Prinzips sind erkennbar, solange man Gelegenheit hatte, sich mit der Gründung
uind dem Aufbau eines Deutschen Reiches in Cheorie und Praxis zu befassen
Der sächsische Staatsminister Vr. Apell gibt in seiner Schrift Boln e
staat zum Regionalstaat“ 1927 eine kappe, aber ziemlich erschöpfende Ueber—
sicht üͤber den geschichtlichen Verlauf seit dem Wiener Kon greß, der
nach den Freiheitskriegen und dem Sturz Napoleons die europäischen An—
zelegenheiten neu zu ordnen hatte, und auf dem die sogenannte deutsche Frage
im Vordergrunde des Interesses siand. Apelt weist vor allem auf den Freĩ—
herrnvomstein hin, der als Freund und Berater des auf dem Wiener
Nongreß einflußreichsten Monarchen Europas, des Kaiser Alexander J. von
Kußland, die Loͤsung dieser Frage in mehreren Denkschriften theoretisch vor⸗
bereitet hatte und nicht müde wurde, ihre grundlegende Bedeutung für die
Neugestaltung Europas zu betonen. „Das Kernstuͤck seiner Vorschläge war
stets die Errichtung eines sämtliche deutschen Staaten in sich aufnehmenden
Gesamtstaates mit eigenen Rechten und Zuständigkeiten. Diesem gesamten
Staate sollten insbesondere auch die Vertretung und der Schutz des neuen
Gemeinwesens nach außen anvertraut werden. Stein zögerte nicht einen
Augenblick, dabei über die dynastischen Interessen der Fürsten der deutschen
Mittel⸗ und Kleinstaaten rücksichtslos hinwegzugehen. Er al⸗ freier Reichs⸗
ritter dachte gering von dem deutschen Keinfürstentum und hatte wohl
erkannt, daß ein fiarkes Deutsches Reich nur unter rücksichtsloser Beiseite⸗
schiebung dieser widerstrebenden Interessen geschaffen werden konme.
Der Steinsche Gedanke der Errichtung eines Gesamtstaates entsprach
damals auch durchaus der allgemeinen Volksstimmung. Wenn er schließlich
zum Scheitern kam, so war das nicht die Schuld Preußens, das zu weitgehenden
Hpfern zugunsten Oesterreichs bereit war, sondern es lag an der Ueber—
spannung der österreichischen Machtansprüche und an dem heftigen Wider—⸗
pruch der übrigen deutschen Fürsten, vor allem an den süddeutschen Mittel—
staaten, daß ein wirklich befriedigendes Ergebnis vereitelt wurde So0 kam
man schließlich auf dem Wege des Kompromisses zur Schaffung des
Deutschen Bundes als eines volksrechtlichen Vereins, der d hne
taatsrechtlichen Zusammenhalt' nach innen und darum auch
ohne Kraft nach außen die deutsche Frage nicht loͤste, sondern ihre Löfung
ut pertagte, und damit die Sehnsucht des deutschen Volkes schwer enttäuschte,
das sich in der gewaltigen Gefühlsaufwallung der Freiheitskriege zum ersten
Male in fseiner Geschichte als Nation erkannt hatte.
Vom Standpunkt der Vorkämpfer für den straff gegliederten deutschen
Hesamtstaat, die trotz der durch die Enischeidungen dẽes Wiener Kongresses
erlittenen Enttäus chungen und unbekümmert um den schweren Druckkleinlichster