Full text: Sozialpolitik in Österreich 1919 bis 1923

Übersicht über die sozialpolitische Gesetzgebung 
in Osterreich von 1919 bis 1923. 
Aus dem Bericht der Gewerkschaftskommission an den zweiten 
Gewerkschaftskongreß.) 
Der letzte Gewerkschaftskongreß hat den Gewerkschaften und 
der sozialdemokratischen Fraktion der Nationalversammlung eine 
Reihe von sozialpolitischen Forderungen zur Durchführung über— 
tragen. Wenn diese auch nicht restlos erfüllt wurden, so ist es 
dennoch gelungen, viele bedeutungsvolle Fortschritte zu machen. 
Eine Tatsache, deren Wert leider noch nicht von allen Arbeitern 
und Angestellten erkannt, dagegen von den Unternehmern bei jeder 
Belegenheit als das schwerste Hemmnis in der Entwicklung 
unserer Wirtschaft bezeichnet wird. 
Am bedauerlichsten ist jedoch, daß eine der ältesten und 
wichtigsten Forderungen, die Alters- und Invaliditätsversicherung, 
nicht verwirklicht werden konnte, vornehmlich deshalb, weil diese 
don der Versicherung der Selbständigen abhängig gemacht wurde. 
Nicht zuletzt trugen die zerrütteten Staatsfinanzen ein übriges zu 
der von der Regierung beobachteten Verschleppungstaktik bei. Bei 
den herrschenden Auffassungen über Steuerpolitik, Vermögens— 
abgabe und bei der sonderbaren Art von Sanierungsbestrebungen 
im allgemeinen dürfte es wohl niemand wundern, wenn für 
solche Zwecke angeblich keine Bedeckung gefunden werden konnte, 
obwohl diese Versicherung auch von den Arbeitern eine gar nicht 
geringe Beitragsleistung erfordern würde. 
Neben den vielen Verbesserungen, welche die Sozialgesetz— 
gebung in der Berichtsperiode erfahren hat und die wir in großen 
Zügen darstellen wollen, dürfen wir auch die Handhabung 
des Koalitionsrechtes nicht unbesprochen lassen. Wenn 
diese im allgemeinen in viel legalerer Weise erfolgte als in 
früheren Jahren, so haben sich in der letzten Zeit wieder Er— 
scheinungen gezeigt, die an einstige Perioden der willkürlichen und 
einseitigen Auslegung unseres an sich sehr guten Koalitionsgesetzes 
iur allzu lebhaft erinnerten. Wurde doch in einzelnen Fällen der 
Versuch unternommen Betriebsräte 2um Schadenersaß an
	        
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