Full text: 10 Jahre Wiederaufbau

bewiesen. Ich erwähne nur die Ausstellung der 
„100. Jahre österreichischer Kunst” in der 
Secession und die Alpine Ausstellung und die 
Historische Porträtausstellung im Künstler- 
haus, Wer nur halbwegs vorurteilslos diese Zusammen- 
stellungen rein österreichischer Kunst betrachtet hat, 
muß zugeben, daß ‚hier ganz bedeutende Lei- 
Stungen hoher Kunst zu verzeichnen sind, welche 
Sanz eigenartige, aus heimatlicher Natur und Volks- 
charakter herausgewachsene Erfolge bedeuten. Das 
Charakteristische der österreichischen Malerei besteht 
In einer tiefen, innigen Liebe zur Natur, in 
einem feinen Gefühl für das Dekorative und 
N einem gewissen, nicht leicht mit Worten auszu- 
drückenden Hauch von einschmeichelndem Rhythmus, 
der sich vielleicht am besten durch das Wort „musi- 
kalisch” bezeichnen läßt. Während der letzten zehn 
Jahre haben sich unsere bildenden Künstler in 
hartem Rin gen mit den veränderten Lebensver- 
hältnissen die Anerkennung ihrer patriotischen Leistung 
In selbstloser, von gemeinnützigem Streben geleitete 
Tätigkeit vollauf verdient. Österreich war auf ver- 
Schiedenen Kunstausstellungen im Aus- 
lande, in London, Bradford, Pittsburg, 
Venedig, Budapest, Holland, Florenz, 
Düsseldorf, Münden, Berlin, Nürnberg usw. 
vertreten, und das hohe Niveau der künstleri- 
Schen Gesamtleistun g wurde überall bereitwilligst 
anerkannt. Es wurden auch viele österreichische 
Künstler bei diesen Gelegenheiten mit Auszeichnungen 
bedacht. Die Beschickung der meisten dieser Aus- 
Stellungen wurde durch Subventionen von Seite 
der Bundesregierung, durch das Bundesmini- 
Sterium für Unterricht, ermöglicht. 
Was nun die neueste Zeit anbelangt, so ist wohl 
mit Genugtuung zu bemerken, daß sich die führen- 
den Kreise, Staat und Landesregierungen und 
Stadtv erwaltungen, sehr wohl dessen bewußt 
Sind, was die Pflege der bildenden Kunst für die 
Volkswirtschaft bedeutet. Erst kürzlich wurde in 
“nem Kreise von Männern der Kunst, Wissenschaft 
m Politik, welche anläßlich der Eröffnung der 
ürer-Ausstellung in Nürnberg zusammengekommen 
Waren, daran erinnert, daß es sehr lehrreich wäre, 
Se Zusammenstellung davon zu versuchen, welche 
zZ men durch Reproduktionen von Bildern und 
Se chnungen Dürers, durch die Literatur, die über 
ünd Leben und Wirken entstanden, durch direkte 
al indirekte Vorteile, welche die Stadt Nürnberg 
un, a Seine Vaterstadt gehabt hat, erzielt worden sind 
kei noch erzielt werden. An diesen Frwerbsmöglich- 
durch durch das Werk eines Künstlers haben nun 
leer 400 Jahre Schriftsteller, Kunstgelehrte, Ver- 
dukte, Druckereien, Zeitungen, Buchbinder, Repro- 
lOnsanstalten usw., also eine Menge von Ge- 
verben teilgenommen und Vorteil daraus gezogen. 
Nun war Dürer wohl einer der Allerbedeutendsten, 
ıber es gibt. auch heute noch viele Künstler, die das 
nteresse der Sammler und Leser in hohem Grade 
genießen, und es wird auch jetzt noch an dem Werke 
zines Künstlers von vielen andern verdient, Kunst- 
händler, Verleger, Familienjournale und Magazine 
ıller Art, Photographen, Reproduktionsgewerbe aller 
Art — Ansichtskarten usw. 
Es wird notwendig sein, daß man sich darüber klar 
wird, was und in welcher Weise der Staat als Re- 
zierung zur Entwicklung der bildenden Künste tun 
zann. Wir haben eine kunstliebende und kunstbegabte 
Bevölkerung. Unsere Arbeiter haben, wie mir ein 
vedeutender norddeutscher Industrieller einmal sagte, 
„Feenhände”, und sind gerade als Qualitätsarbeiter be- 
jonders zu schätzen. Nicht ohne Grund hat unser 
Kunstgewerbe so bedeutenden Erfolg. Es ist also ganz 
deutlich, daß da Schätze liegen, die zu heben sind. 
Nicht bloß in der Hauptstadt Wien, die heute für 
bildende Kunst mehr leistet als es früher jemals 
der Fall war, auch in anderen Städten, Graz, Linz, 
Salzburg, Innsbruck, in Krems, St. Pölten, 
Wr. Neustadt usw. werden Ausstellungen, Künstler- 
vereine usw. gefördert und unterstützt. Die Regie- 
ung hat Geldpreise und Ehrungen verteilt, 
Konkurrenzen ausgeschrieben usw. 
Daß gerade diese Bestrebungen noch sehr des 
weiteren Ausbaues und der Entwicklung bedürfen, 
ist sicher, besonders wenn wir betrachten, daß die 
allgemeine Lage der bildenden Künstler so bei uns 
wie in ganz Europa eine sehr reduzierte ist. Natür- 
lih kann da keine Regierung allein helfen. Die 
Gründe für die augenblickliche Teilnahmslosigkeit der 
Menge oder zumindest der wohlhabenden Schichten 
gegenüber der Kunst liegen tiefer und werden sich 
nicht so rasch ändern. Wir sehen allgemein ein Nach- 
ı1assen des Interesses für Ausstellungen überhaupt. 
Es wird sich auch die Kunst irgendwie dem modernen 
Leben anpassen müssen. 
An den Künstlern wird es nicht liegen, wenn die 
im Volke vorhandenen und noch schlummernden 
künstlerischen Möglichkeiten nicht voll und ganz 
ausgenützt werden und die Anpassung anmoderne An- 
forderungen nicht gelingen sollte. Wir haben ja auch in 
dieser Beziehung ganz anerkannte Vertreter modern- 
ster Richtung. Doch immer wieder sollen wir‘ uns 
daran erinnern, daß es unserer Art am meisten ent- 
spricht, wenn wir bei voller Überzeugung von der 
Notwendigkeit, uns dem allgemeinen Zug nach neuer 
und neuester Entwicklung anzuschließen, nicht ver- 
gessen, daß wir alte Kultur zu hüten haben und 
um so gesünder und kräftiger im Kampfe 
ums Dasein bestehen werden, je fester wir 
auf dem Boden dieser Kultur stehen. 
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