auf, Professor Vinzenz Goller geriet beim Zusammen-
bruch in italienische Gefangenschaft, entzog sich ihr
zu Weihnachten I0I18 durch Flucht und übernahm
nach einem dreimonatigen Erholungsurlaub zu Ostern
[Q19 wieder die Leitung der Abteilung. Die Schüler-
zahl hatte in den letzten Kriegsjahren nur mehr
[5 bis 20 betragen. Auch die ersten Nachkriegsjahre
hindurch konnte sie sich nicht heben, da die Zugs-
verbindungen von Wien nach Klosterneuburg noch
sehr mangelhaft, die Wohnungsverhältnisse in Kloster-
neuburg sehr unzulänglich waren. Diese Umstände
veranlaßten Professor Goller, im Jahre 1921 die
Leitung an Dr. Weißenbäck abzugeben, der mit
Unterstützung des Stiftes Klosterneuburg, das Wohn-
:äume zur Verfügung stellte, und der Hilfe der
amerikanischen Wohlfahrtsaktion ein Internat und
eine Mensa für die Schüler der Abteilung einrichtete.
So war es möglich, in den zwei Schuljahren 1921-1923
die Besucherzahl zu heben. Dadurch aber machte
sich ein neuer VUebelstand fühlbar. Das war der
Raummangel und andere im Gefolge der Nachkriegs-
zeit aufscheinende ungünstige Verhältnisse und Er-
eignisse. Die Sachlage drängte dazu, für die Schule
neue Räume ausfindig zu machen. Dabei wurde auch
die schon im Jahre 1910/20 von Direktor Löwe und
dem damaligen Direktorium angeregte Verlegung der
Abteilung nach Wien wieder ins Auge gefaßt. Es
gelang, die im I. Bezirk, Seilerstätte 8 freigewordenen
Räume der ehemaligen Staatsdruckerei für den ge-
dachten Zweck zu gewinnen. Der Konvent der
PP. Franziskaner als Eigentümer des erwähnten
Hauses gab in liebenswürdiger Weise seine Zustim-
mung. So konnte, nach allerdings langwierigen Ver-
handlungen und den notwendigen umfangreichen
[nstandsetzungsarbeiten, die Anstalt anfangs Mai 1024
in die neuen Räume übersiedeln, wo nunmehr für
ainen erweiterten Unterrichtsbetrieb alle Vorausset-
zungen gegeben waren. Als ein anderer sehr wichtiger
Grund für die Verlegung der Anstalt nach Wien
kam in Betracht, daß auch der auszubildende
Kirchenmusiker möglichst viele Aufführungen geist-
licher und weltlicher Musik (Konzert und Oper) be-
suchen soll, um sich gründliche Kenntnisse in der
zesamten Musikliteratur zu erwerben.
Die Uebersiedlung nach Wien brachte sofort eine
Arhöhung der Schülerzahl um mehr als das Doppelte.
'm Zuge der Neueinrichtung war es auch gelungen,
ler Anstalt eine weitere Orgel zu beschaffen, welche
von Herrn Kommerzialrat Hans Klinkhoff ge-
spendet wurde. Der Lehrkörper wurde vergrößert
and besteht heute aus den Professoren : Dr. Andreas
Weißenbäck, Leiter, Regierungsrat Vinzenz Goller,
Dr. Josef Lechthaler, und den vertragsmäßig be-
stellten Lehrern Siegmund Schnabel, Karl Walter
ınd Georg Popa-Grama; ferner sind der Abtei-
ung mit einem Teil ihrer Lehrverpflichtung zugeteilt:
Yrofessor Ferdinand Habel, Norbert Kahrer und
7rofessor Josef Wenzel. Außerdem Professor
Dozent Dr. Felix Gatz. Seit dem Schuljahr 1925/26
‚esorgt die Abteilung zweimal wöchentlich Chor-
imter in der Domkirche zu St. Stephan,
nit dem: seit 1926/27 neugeschaffenen Chore (unter
Zuziehung von freiwilligen Sängern, vor allem von
"rauenstimmen) auch die sonn- und festtäg-
‘ichen Aufführungen in der Franziskanerkirche,
lie bei dieser Gelegenheit auch gleichzeitig den
Schülern des obersten Jahrganges als praktisches
Jebungsfeld für die Betätigung als Dirigenten und
Organisten, natürlich stets unter Aufsicht eines
“‚ehrers der Abteilung zur Verfügung steht. Seit 1027
ıat der Lehrkörper der Abteilung auch wieder die
‚edaktionelle Leitung der kirchenmusikalischen Fach-
zeitschrift „Musica divina” übernommen, um auf
Jiese Weise auch in weiteren Kreisen aufklärend
wirken zu können. Das im abgelaufenen Dezennium
ür die Abteilung für Kirchenmusik bedeutungsvollste
Zreignis, die Verlegung nach Wien und die gleich-
‚eitig durchgeführte Neuorganisierung des Lehrplans,
erner die erzielte engere Verbindung der Schüler
nit dem allgemeinen Musikleben Wiens haben sich
ıls für die Interessen der Anstalt im hohem Maße
Öörderlich erwiesen.
ENTISTEHUNG UND ENTWICKLUNG DER HOCHSCHULE FÜR
MUSIK UND DARSTELLENDE KUNST
Von Rektor Hofrat o. 6. Professor Franz Schmidt.
Die bedeutsamste Phase in der Entwicklung der
aus dem Konservatorium der Gesellschaft der Musik-
freunde hervorgegangenen staatlichen Musiklehranstalt
‘st wohl die Errichtung der Fachhochschule für Musik
und darstellende Kunst, über deren Schicksale und
Organisation hier ein kurzer Ueberblick gegeben
werden soll. Schon das gelegentlich der Neuordnung
der Verfassung der Musikakademie vom Lehrkörper
lem Staatsamt für Unterricht im März I919 vorgelegte
Viemorandum enthielt einen Antrag auf Umgestaltung
ler Akademie zu einer Anstalt mit Hochschulcha-
;akter. Dieser Antrag fand jedoch erst seine Ver-
wirklichung, als Hofrat Professor Dr. Joseph Marx
m Jahre 1922 die Leitung der Akademie übernommen
1atte und mit Unterstützung der führenden Persön-
ichkeiten des Lehrkörpers nachdrücklichst dem er-