Full text: 10 Jahre Wiederaufbau

DIE ENTWICKLUNG DER KRANKENVERSICHERUNG IN OBER: 
ÖSTERREICH IN DER ZEIT VON 1918 BIS 1928 
Von Karl Scheck, Direktor des Verbandes der Krankenkassen Oberösterreichs. 
Vor dem Kriege bestanden in Oberösterreich 
mehrere hundert kleine Krankenkassen, denen die 
Zusammenfassung in einem Verbande der Kranken- 
kassen fehlte, daher gab es für die Versicherten in 
der Regel nur die /Zwangsleistungen ‚des Kran- 
kenversicherungsgesetzes. Mit‘ Ausnahme einiger 
größeren Bezirkskrankenkassen und der Allgemeinen 
3berösterreichischen Arbeiter-Kranken- und Unter- 
stützungskasse Linz war die erweiterte Heilpflege 
and besondere fachliche ärztliche Behandlung bei den 
oberösterreichischen Krankenkassen nicht eingeführt. 
Einen Wendepunkt in der Geschichte der Kranken- 
versicherung Oberösterreichs bildete die kaiserliche 
Verordnung vom 4. Jänner 10917, wodurch es gesetz- 
lich möglich wurde, einen Landesverband der Kranken- 
kassen Oberösterreichs einzurichten. 
Nach vollzogener Konstituierung des Krankenkassen- 
verbandes in Linz zeigte sich das Bestreben, die Verei- 
aigung mit dem inzwischen in Wels ins Leben ge- 
tretenen Verbande deutsch geleiteter Kranken- 
kassen herbeizuführen, welcher Schritt von bestem 
Erfolge begleitet war; schon im Jahre I010 konnte 
die Verschmelzung der beiden Verbände durchgeführt 
werden. Unmittelbar nach diesem Zusammenschluß 
setzte eine großzügige Konzentrationsbewegung bei 
den kleinen Krankenkassen ein, und zwar mit der- 
artiger Raschheit, daß von in Oberösterreich bestande- 
nen 218 Arbeiterkrankenkassen nunmehr nur noch acht 
Krankenkassen in der Arbeiterversicherung tätig sind. 
Wenn man nun, gleichsam chronologisch geordnet, 
die Entwicklung auf dem Gebiete der Krankenver- 
sicherung in Öberösterreich nach den Umsturztagen 
festhalten will, so muß man wohl in erster Linie die 
Einführung der obligatorischen Familienver- 
sicherung bei sämtlichen Verbandskrankenkassen 
erwähnen. Durch die Entschließung sind nicht weniger 
als 80.000 Versicherte der Sorge, für ihre Familien- 
angehörigen im Krankheitsfalle ärztliche Hilfe, Heil- 
mittel und andere Behelfe auf eigene Kosten be- 
schaffen zu müssen, mit einem Schlage enthoben 
worden. Der Kassenverband übernahm auch für sämtliche 
Verbandskassen die Beistellung der ärztlichen Hilfe 
im gesamten Bundesland Oberösterreich. Zuerst voll- 
zog sich die Neuorganisation des ärztlichen Dienstes 
in den Städten Linz und Steyr, sowie in den um- 
liegenden Industrieorten, anschließend daran in der 
Stadt Wels und den übrigen Orten Oberösterreichs. 
Die Übernahme des ärztlichen Dienstes durch den 
Verband führte weiters zum wichtigen Ausbau des 
Fachärztewesens, vor allem durch die Errichtung 
eigener Ambulatorien in den Städten Linz, 
Steyr und Wels. Diesen Ambulatorien angegliedert 
wurden Röntgenstationen und elektro-medi- 
„inische Behandlungsstellen, so daß nunmehr 
Röntgen, Quarzlampe, Diathermie, Pantostat, Licht- 
väder usw. Behelfe darstellen, die jedem Versicherten 
zur besseren Untersuchung und rascheren Heilung 
jederzeit zur Verfügung stehen. 
Um aber außerdem auch gleichsam im eigenen 
Hause durch Verabreichung medizinischer Bäder 
lie raschere Herstellung der Gesundheit erkrankter 
Versicherter zu bewirken, kam es am Standorte der 
Kassenambulatorien mit der Zeit zur Finrichtung von 
Sole-, Kohlensäure-, Latschen- und Stein- 
salzbädern, endlich von Tisch- und Gesellschafts- 
inhalatorien. 
Die Krankheitsvorbeugung wurde bisher vorwiegend 
in der Richtung betrieben, daß man sich der Kind er 
der Versicherten und der Lehrlin ge annahm. 
Jurch Einleitung eigener Ferienaktionen oder 
Jnterstützung anderer derartiger Aktionen zeigte 
nan sich bemüht, erholungsbedürftige Lehrlinge und 
Kinder von Versicherten vor späterer Erkrankung zu 
»ewahren. Zur Krönung dieser Aktion ist für das Jahr 
930 die Errichtung einer Walderholungsstätte 
nit Schulbetrieb für die Kinder der Versicherten 
rojektiert, welche ganzjährig betrieben werden wird. 
Für die Versicherten selbst wird eine groß- 
‚ügige erweiterte Heilfürsorge durch deren Ent- 
jendung in Lungenheilstätten und Kurorte 
durchgeführt. ; 
Im Laufe des zehnjährigen Bestandes der Republik 
Österreich errichtete der Verband der Krankenkassen 
Jberösterreichs eigene Kuranstalten in Bad 
Hall und Bad Schallerbach, sowie eine Heil- 
anstalt für lungenkranke Frauen in Christ- 
<indel bei Steyr. Außerdem wird ein der All- 
zemeinen oberösterreichischen Arbeiter-Kranken- und 
Jnterstützungskasse Linz gehöriges Genesun gS- 
‚eim für Männer und Frauen in Katsdorf betrieben. 
Nicht zuletzt hat aber auch die Zusammenfassung 
der Arbeiterkrankenkassen Oberösterreichs in einem 
Verbande dazu geführt, daß auch in umfangreichster 
Weise für die Zahnpflege der Versicherten Vor- 
;orge getroffen wird. In Linz, Steyr und Wels 
yestehen große, gut ausgebaute Zahnambu- 
atorien, so daß die Versicherten dieser Städte‘ und 
hrer Umgebung mit konservierender Zahnbehandlung 
ınd notwendigem Zahnersatz ausreichend versorgt 
werden können. Durch eine zweckmäßige Betriebs- 
organisation wird es aber auch den in jenen Orten Ober- 
jsterreichs arbeitenden oder wohnenden Versicherten, 
lie von diesen genannten Städten weiter enfernt sind, 
armöglicht, in den eigenen Verbandsambulatorien den
	        
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