Full text: 10 Jahre Wiederaufbau

DAS PROJEKT EINES DONAUKRAFTWERKES IN WIEN 
Von Zivilingenieur Dr. Ing. Max Pernt. 
Der Gedanke, den Donaustrom zur Energieerzeu- 
zung heranzuziehen, hat seine mächtigste Stütze in 
der Tatsache, daß im Osten der Republik, mit seinen 
größten Energieverbrauchern, nur diese hydraulische 
Energiequelle vorhanden ist. Mit dem Abrücken des 
Donaukraftwerkes stromaufwärts oder -abwärts von 
Wien verliert die Donauwasserkraft an Bedeutung für 
diese heimische Energieversorgung, weil sie, je mehr 
sie sich von Wien entfernt, in eine um so schärfere 
Konkurrenz mit günstigeren und auch billigeren, alpen- 
‘ändischen Wasserkräften gerät und den erheblichen 
Vorzug der besten Lage opfert, ohne den Schwierig- 
keiten zu entgehen, die jeder Donaunutzung entgegen- 
:reten. Deshalb hat sich der heimische Techniker stets 
wieder mit der Planung der Ausnützung der soge- 
ıannten Wiener Durchstichstrecke der Donau befaßt. 
Das von der Bauunternehmung Brüder Redlich & 
Berger und mir verfaßte Projekt nützt in dieser Strecke 
ein Gefälle von I5 m in zwei Stufen mit je einem 
Krafthause in Floridsdorf und Schönau aus. Am 
unteren Ende des großen Greifensteiner-Höfleiner- 
Kritzendorfer Donaubogens, wo mit einer letzten 
scharfen Krümmung der Strom in die südöstliche 
Hauptrichtung der Durchstichstrecke einbiegt und der 
techtsufrige „Klosterneuburger Haufen” das schwere 
Wasser ganz an das konkave linke Ufer drängt, ist 
der 560 m breite, freie (offene) Einlauf für den Ein- 
tritt des Betriebswassers von 3060 m*/sek vorgesehen. 
Line am Orte der bisherigen Uferlinie belassene 
Sohlenstufe soll das Eindringen des Schotters in den 
Vorkanal möglichst abhalten. Das Betriebswasser ge- 
angt dann in ein Finlaufbecken, das mit einer aus 
zehn Feldern von je 8 m lichter Weite bestehenden 
Einlaufschleuse endet, die dazu dient, den jeweils zu- 
lässigen Wasserstand in der nun anschließenden rund 
F3 km langen, hinter dem Hochwasserschutzdamme 
geführten Oberwasserkanalhaltung zu regeln. Das aus 
den Ausläufen des oberhalb der Nordwestbahnbrücke 
gelegenen Krafthauses „Floridsdorf” austretende Be- 
triebswasser wird nun mit der Wasserspiegelhöhe des 
Gänsehäufelwassers unter Benützung zahlreicher Tiefen- 
Urchen des Geländes in einem Kanal von 100 m 
Sohlenbreite weitergeleitet, der beim Gasthaus „Zum 
Finsterbusch” sich im unteren Teile der Lobau zu 
einem gewaltigen See mit einer Oberfläche von über 
1L000.000 m?* erbreitert. Den östlichen Abschluß 
dieses Seebeckens bildet ein 900 m langer Ueberfall, 
an den sich das Krafthaus „Schönau” anschließt. 
Unter Benützung der im Hochwasserschutzdamm be- 
-assenen Lücke des sogenannten „Schönauer-Schlitzes” 
wird das Betriebswasser dem Donaustrom, nachdem 
es auf eine Strecke von rund 38 km ausgeleitet war, 
Zurückgegeben. Die jährliche Energieausbeute beträgt 
ıngefähr 330,000.000 kWh bei einer maschinellen 
Finrichtung von 180.000 PS in beiden Krafthäusern. 
Der Vorzug der Lage beruht darin, daß die Kraft- 
werke sich im entwickeltsten Industriegebiete 
Jesterreichs befinden, daß die Energien ohne 
ange Fernleitungen dienstbar gemacht werden 
zönnen, daß die Elektrisierung der in Wien ein- 
nündenden Bahnen durch Bezug des Stromes aus 
nem in den Energieversorgungsplan der Bundes- 
»ahnen sich vorzüglich einpassenden, zur Spitzen- 
eistung  befähigten Wasserkraftwerke erfolgen kann, 
laß der Bau der Anlage sich dort abwickelt, wo das 
Teer der Arbeitslosen. sich befindet und daher .die 
Arbeitslosigkeit der Wiener Arbeiter in einer 
Weise lindern kann, wie dies kein anderer Bau in 
len Ländern zu tun vermag, daß die bestehenden 
Verkehrsmittel das Bauen in jeder Hinsicht begünstigen 
ınd daß schließlich das Speicherbecken in der 
_,obau Wien jene Gelegenheit zur Entwicklung des 
Wassersportes jeder Art schafft, wie sie zum Bei- 
spiel Berlin in’den Seen seiner Umgebung besitzt. 
Damit erschöpft sich aber keinesfalls die hohe Wer- 
igkeit dieser Donaukraftanlage in Wien. Sie gibt noch 
Anlaß zur Lösung weiterer für Wien enorm wichtiger 
"ragen, so zur Schaffung des dringlichen und voll- 
;tändigen Schutzes Wiens vor Hochwässern‘!) 
lurch die mögliche Ableitung einer Wassermenge bis 
zu 3000 m*/sek. während katastrophaler Hochfluten 
zus dem Strome unter Aufwendung verhältnismäßig 
zeringer Kosten für diese Maßnahmen, zur Schaffung 
‚on Hafenanlagen aller Art, wann immer solche 
ırforderlich werden, wenn die Handelsentwicklung 
Wiens und der Donauverkehr doch einen stärkeren 
\ufschwung nehmen sollten, als heute vorauszusehen 
st, zur Schaffung ausgedehnter, hochwasserfreier Ge- 
ände im Zuge der Kanalhaltungen für industrielle 
Anlagen und schließlich zur Schaffung einer die land- 
wirtschaftliche Produktion hebenden Bewässerung 
les getreidereichhen Marchfeldes. 
Die Baudurchführung dieses Kraftwerkes ist von einem 
Jonausyndikate, bestehend aus der Niederöster- 
‚eichhischen Escompte-Gesellschaft, der Allge- 
neinen Öösterreichishen Boden-Credit-Anstalı 
ınd der American European Utilities Corpo- 
‚ation seit Mitte 1926 sichergestellt. Es ist zu hoffen, 
laß das zweite Jahrzehnt des Bestandes der Republik 
m Zeichen des Ausbaues der Wiener Donauwasser- 
xraft und der mit ihr zu erwartenden Elektrisierung 
der von Wien ausgehenden Bahnen stehen wird. 
1) Siehe Dr. Ing. M. Pernt: Der Hochwasserschutz Wiens im 
Zusammenhange mit der .Donaukraftnutzung in der Durchstich- 
strecke Korneuburg-Schönau. Die Wasserwirtschaft, Jahrgang 
028, Heft 18-
	        
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