Full text: 10 Jahre Wiederaufbau

teressen. ausgebaut werden darf. Das Wesentliche an 
der neuen Betriebsform ist also die Übernahme der 
kaufmännischen Geschäftsformen und nicht der kauf- 
nännischen Geschäftsziele. Unternehmergewinn ist nicht 
abzulehnen, das Streben nach solchem darf aber im 
5ffentlichen Verkehr nicht in den Vordergrund treten. 
Die Ertragswirtschaft ist das letzte Ziel der Kommer- 
zialisierung des Bundesbahnbetriebes. Die erste Auf- 
zabe der Systemänderung war, das finanzielle 
Gleichgewicht im Bundesbahnbetrieb und damit im 
Staatshaushalt wiederherzustellen und die Geschäfts- 
(ührung so zu gestalten, daß die Kosten des Betriebes 
und die Verzinsung des in den Bahnanlagen inve- 
stierten Volksvermögens durch die Einnahmen voll- 
‚ommen gedeckt werden. Dieser Zustand ist dank 
ler ernsten Arbeit und des zielsicheren Eifers, mit 
lem alle Kräfte am Werke waren, um die Bundes- 
yahnreform fachkundig durchzuführen und fortzuent- 
vickeln, im ersten Dezennium des Bestandes der 
Zepublik voll erreicht worden. 
Angesichts der guten Früchte, die das Reformwerk 
;ezeitigt hat, darf ich wohl der Zuversicht Ausdruck 
‚eben, daß auch der zweite Schritt zur Ertrags- 
wirtschaft gelingen und die Österreichischen 
3Zundesbahnen, die bereits für sich in Anspruch 
‚ehmen können, ein taugliches Instrument der 
1eimischen Wirtschaft zu sein, zur Quelle 
-on öffentlichen Finnahmen machen wird. 
FINANZWIRTSCHAFT DER ÖSTERREICHISCHEN BUNDESBAHNEN 
Von Ing. Rudolf Foest-Monshoff, finanzieller Direktor und Beschaffungsdirektor der Österr. Bundesbahnen. 
Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die 
finanzielle Entwicklung der Österreichischen 
Bundesbahnen waren im neuen Staate von vorn- 
herein ungünstig. Das Fisenbahnnetz, das der Republik 
Österreich nach dem Friedensvertrage zufiel, bestand 
aus Reststücken eines ehedem für ganz andere, 
größere Verhältnisse und andere Verkehrsbeziehungen 
zebauten Liniennetzes, die sich nur schwer zu einer 
neuen organischen Einheit zusammenfügten. Die Wiener 
Copfbahnhöfe hatten schon in der Vorkriegszeit 
ı1ach der Verstaatlichung der großen Privatbahnen ein 
verkehrstechnisches und wirtschaftliches Problem gebildet, 
das die Fachleute fortgesetzt beschäftigt hatte, ohne daß 
as zu einer gedeihlichen Lösung gebracht werden konnte, 
Durch die neue Grenzziehung hat sich die Unwirt- 
schaftlichhkeit dieser nebeneinander bestehenden 
Bahnhöfe noch wesentlich gesteigert. Von den 
ehemals so verkehrsreichen Linien der Nordbahn, Staats- 
sisenbahngesellschaft und MNordwestbahn waren der 
Republik nur mehr Strecken von wenigen Kilometern 
Länge verblieben, noch dazu mit je einer kostspielig zu 
erhaltenden Donaubrücke. Der Verkehr auf diesen 
_inienstücken sank auf einen geringen Bruchteil des 
seinerzeitigen Umfanges herab und bot einer wirtschaft- 
ichen Verwendung des Personals und der Fahrbetriebs- 
nittel die größten Schwierigkeiten. - 
Auch sonst schien die verhältnismäßig geringe Produk- 
ton des Landes an landwirtschaftlichen und industriellen 
Rohstoffen und die eingeschränkte Absatzmöglichkeit 
seiner auf wenige Punkte verteilten und von früheren 
Bezugs- und Absatzgebieten durch die neustaatlichen 
Grenzen abgeschnittenen Industrien keine Gewähr für 
eine volle Ausnützung des Verkehrsapparates zu bieten. 
Wohl konnte wegen der zentralen Lage des Netzes 
nit Durchzugsfrachten gerechnet werden; auch berechtig- 
en die Naturschönheiten des Landes und sein Kunst- 
Besitz zu Erwartungen auf einen gesteigerten Fremden- 
verkehr. Die aus diesen Quellen fließenden Einnahmen 
konnten iedoch allein nicht ausreichen, abgesehen davon. 
laß sie wegen ihrer Abhängigkeit von Verhältnissen 
les Auslandes nicht als sichere Grundlage gewertet wer- 
len konnten. 
Die vielen Steigungen und Krümmungen, Brücken 
ınd Tunnels in dem vorwiegend gebirgigen Lande be- 
lingen nicht nur größere Erhaltungskosten der 
;trecke, sondern verursachen auch einen größeren 
Cohlenverbrauch und eine größere Abnützung des 
'ahrparkes. Oberbau und Fahrbetriebsmittel waren ‚zu- 
lem während des langen Krieges übermäßig hbean- 
prucht worden, ihre Erneuerung war eine dringende 
Votwendigkeit. Der Wagenpark wurde erst im Jahre 1921 
»rovisorisch aufgeteilt. Bis zu dieser Aufteilung mußten 
lie Österreichischen Werkstätten Ausbesserungen an 
leın noch gemeinsamen Fahrpark in einem weit größeren 
\usmaße durchführen, als es der schließlichen, für die 
tepublik wenig günstigen Wagenzuweisungen ent- 
‘prochen hätte. 
Die Bezugsquellen der wichtigsten Kohlensorten lagen 
ıun im Auslande und die österreichischen Bahnen konn- 
en sich diesen Teil ihres Bedarfes nur zu hohen Preisen 
‚erschaffen. Dazu kam, daß nach dem Zusammenbruche 
Jer Monarchie Personal aus allen Nachfolgestaaten nach 
Österreich zurückflutete und von der österreichischen 
lisenbahnverwaltung übernommen und beköstigt werden 
nußte. Die Pensionsfonds, die früher einen immerhin 
ırheblichen Teil der Pensionslast getragen hatten, wurden 
eils durch den Zusammenbruch der Währung getroffen, 
eils dadurch entwertet, daß die Gebäude keine Erträg- 
ısse abwarfen, so daß die gesamten Pensionslasten 
ıus der Betriebsrechnung bestritten werden mußten. 
Alle diese Ursachen machten in den ersten Nach- 
<riegsjahren eine geordnete Finanzwirtschaft der Bundes- 
‚ahnen nahezu unmöglich. Die Gebarung wies ständig 
;teigende Abgänge auf, obwohl die Verkehrs- 
eistungen nicht gering, in der Hauptinflationszeit sogar 
jemlich bedeutend waren. Bei der mit Ende des Jahres 
922 einsetzenden Sanierung des Staatshaushaltes mußte 
der Neuordnung der Bundesbahnen als des weitaus
	        
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