Full text: 10 Jahre Wiederaufbau

DER LUFTVERKEHR IN ÖSTERREICH 
Von Dr. Viktor Kraus, Ministerialrat im Bundesministerium für Handel und Verkehr. 
Die durch die Verwendung der Luftfahrzeuge im 
Kriege herbeigeführte Entwicklung des Motorluftfahr- 
zeugbaues hat nach Kriegsende auch in Österreich das 
Bestreben wachgerufen, das Luftfahrzeug nunmehr auch 
lem zivilen Verkehr nutzbar zu machen. Die von dem 
vollständig neuartigen Verkehr aufgeworfenen, eine 
Reihe von Verwaltungsgebieten berührenden Fragen 
wurden vom geltenden Recht, das diesen Verkehr nicht 
voraussehen konnte, entweder gar nicht oder nur in un- 
befriedigender Weise gelöst. Das Eingreifen des Staates 
zur Regelung der durch den Luftverkehr aufgeworfenen 
Fragen war daher unerläßlich. Angesichts dieser neuen 
staatlichen Verwaltungsaufgaben wurde von der Staats- 
cegierung zunächst mit Vollzugsanweisung vom 15. April 
iQ19, StGBl. Nr. 239, die bei der staatlichen Behand- 
lung der Luftfahrangelegenheiten bestandene Zuständig- 
keitszersplitterung soweit als möglich beseitigt und die 
ührende Behandlung der mit dem. Zivilluftfahrwesen 
zusammenhängenden Angelegenheiten dem Staatsamt 
ür Verkehrswesen zugewiesen, in dessen Rahmen ein 
sur Behandlung der staatshoheitlichen und der sonstigen 
Angelegenheiten des Luftfahrwesens bestimmtes „Bureau 
‘ür Luftfahrangelegenheiten“‘) und in der Folge 
als beratendes Organ ein aus Vertretern der Berufs- 
ınd Interessentenkreise und der Wissenschaft zusammen- 
gesetzter „Fachausschuß für Luftfahrangelegenheiten“ 
"seit 10923 mit der Bezeichnung „Österreichischer 
„uftfahrausschuß“) errichtet wurde. 
In der Absicht, die rechtlichen Hindernisse, die der 
Antwicklung des Luftverkehres hemmend im Wege 
standen, möglichst bald zu beseitigen, wurde von der 
Staatsregierung bereits am 6. September I919 der Ent- 
wurf des Gesetzes, betreffend die vorläufige Regehung 
der Luftfahrt (377 der Beilagen — Konstituierende 
Nationalversammlung), in der Nationalversammlung ein- 
zebracht. Die vorgeschlagene gesetzliche Regelung war 
allerdings nur als eine vorläufige gedacht, wobei vor 
allem die Erwägung maßgebend war, daß der Motor- 
uftfahrzeugverkehr vornehmlich ein zwischenstaatlicher 
Yerkehr sein wird und daß daher eine möglichst gleich- 
artige Gestaltung der Gesetzgebung in den einzelnen 
staaten hinsichtlich der Regelung dieses Verkehres an- 
zustreben sei. Auch wurden solche Fragen, die, wie 
zum Beispiel die Zuerkennung des Enteignungsrechtes 
mür Luftfahranlagen?). die parlamentarische Ver- 
1) Die dermalige, im Verbande der Sektion IV (Verkehrs- 
Sektion) des Bundesministertums für Handel und Verkehr 
stehende Luftfahrtdienststelle führt die Bezeichnung: Amt für 
Luft- und Schiffahrt (Luftfahrangelegenheiten). 
2) Erst in dem im Dezember 1926 im Nationalrat einge- 
örachten Entwurf eines Bundesgesetzes, betreffend die Förde- 
zung des Luftverkehres (Luftverkehrsförderungsgesetz), wurde 
ıaebst anderen Erleichterungen und Begünstigungen für die 
den öffentlichen Luftverkehr ausübenden Luftverkehrsunter- 
acehmungen auch ein Enteignungsrecht zugunsten der dem 
öffentlichen Luftverkehr dienenden Anlagen vorgesehen, doch 
war bis jetzt die parlamentarische Verabschiedung dieses Ge- 
setzentwurfes nicht möglich. 
handlung wesentlich erschwert hätten, in die vorläufige 
zesetzliche Regelung nicht aufgenommen, um die im 
nteresse der allgemeinen Sicherheit und zur Wahrung 
ler öffentlichen Verkehrsinteressen unbedingt erforder- 
ichen gesetzgeberischen Maßnahmen baldigst zu er- 
nöglichen. Die Nationalversammlung hat diesen Gesetz- 
antwurf mit einigen Abänderungen bald verabschiedet, 
jo daß das Gesetz vom 10. Dezember 1910, betreffend 
lie vorläufige Regelung der Luftfahrt, unter Nr. 578 in 
lem am 23. Dezember 1919 erschienenen 205. Stück 
les Staatsgesetzblattes für die Republik Österreich kund- 
zemacht werden konnte. 
Das Gesetz gestattet die Benützung. des Luftraumes 
lurch Luftfahrzeuge, soweit nicht durch dieses Gesetz 
ınd die hiezu erlassenen Durchführungsverordnungen 
3Zeschränkungen festgesetzt sind, und schafft hiedurch 
sine den berechtigten Interessen des Grundeigentümers 
ınd den Bedürfnissen der Luftfahrt entsprechende Ab- 
ırenzung der aus dem Grundeigentum sich ergebenden 
jefugnisse. Diese, eine weitgehende Duldungspflicht des 
srundeigentümers hinsichtlich der Luftraumbenützung 
»einhaltende privatrechtliche Regelung des 
DJurchflugsrechtes der Luftfahrer, greift selbstver- 
;tändlich der Entscheidung der Frage, ob und inwieweit 
lie staatliche Gebietshoheit im Luftraume oberhalb 
der durch die Staatsgrenzen umschriebenen Erdober- 
Jäche im Interesse der Freiheit des zwischenstaat- 
ichen Luftverkehres beschränkt werden soll, nicht vor, 
armöglicht jedoch im Falle der Festsetzung eines völker- 
;echtlichen Durchflugrechtes für ‚ausländische 
uftfahrzeuge auch die Freiheit dieses Luftverkehres. 
Als teilweiser Ersatz für das fehlende Enteignungs- 
echt wird im Gesetz im Interesse der Sicherheit der 
uftfahrt wie auch im allgemeinen Sicherheitsinteresse 
ine Duldungspflicht des Grundeigentümers (Besitzers) 
yezüglich der Anbringung von Orientierungs- 
‚eichen festgesetzt. Die auf dem Erdboden errichteten, 
iem Luftverkehre dienenden Anlagen, darunter insbe- 
ondere die Flugplätze, sowie die Gründung und der 
3etrieb von Luftfahrunternehmungen (erwerbs- 
näßige Beförderung von Personen oder Sachen oder Nach- 
ichten durch Luftfahrzeuge) können nur unter besonderen 
’orsichtsmaßnahmen und Bedingungen zugelassen werden, 
lie einerseits soweit als möglich die Gefährdung der Inter- 
»ssen der durch den Bestand und Betrieb der Luftverkehrs- 
ınlagen gestörten Nachbarschaft und der Interessen des 
lie Luftfahrzeuge als Beförderungsmittel benutzenden 
'ublikums ausschließen und anderseits die vom Stand- 
yunkte des Allgemeininteresses sich ‚ergebenden Anfor- 
lerungen sicherstellen sollen. Demgemäß sieht das Ge- 
‚etz eine besondere, die Wahrnehmung der verkehrs- 
»olitischen und sonstigen Interessen ermöglichende 
taatliche Genehmigung der dem Luftverkehre die- 
1enden Anlagen sowie der Luftfahrunternehmungen vor. 
Im Luftfahrtgesetz ist des weiteren im Interesse der 
;icherung des Luftverkehres und der Öffentlichkeit 
m Hinblick auf diesen Verkehr eine besondere staat- 
iche Zulassung der Luftfahrzeuge und der Luft-
	        
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