Auf dem Gebiete der Jugendfürsorge bestanden
unter der ungarischen Verwaltung nur zahlreiche Kinder-
gärten, deren wichtigste Aufgabe die Magyarisierung
war. Die österreichische Verwaltung hat Landesberufs-
vormundschaft, Fürsorgestellen und Mutterberatungs-
stellen geschaffen, die alle dem Landesjugendamte unter-
stehen. In mehreren Gemeinden wurde die Schüleraus-
spcisung eingeführt. Fine größere Zahl gesundheitlich
gefährdeter Kinder wird alljährlich in Erholungsheimen
anderer Bundesländer untergebracht. Außerdem wurde
in Podersdorf am Neusiedler Sec und in den von herr-
lichen Wäldern umgebenen Gemeinden St. Martin und
Stadt Schlaining Jugendwanderherbergen geschaffen.
Als die österreichische Schulverwaltung im Herbst des
Jahres 1921 das burgenländische Schulwesen übernahm,
and sie von der magyarischen Schulverwaltung kein
zutes Erbe vor. Das Volksschulwesen zeigte schwere
Mängel. Die erste Maßnahme war die Abstellung des
Unterrichtes in der ungarischen Sprache und ein ver-
üjefter Unterricht im Deutschen in allen deutschen
Gemeinden. In den Gemeinden mit kroatischer oder
magyarischer Bevölkerung wurde die Muttersprache
belassen unter gleichzeitiger Einführung der deutschen
Sprache als Pflichtgegenstand in einem Mindestausmaße
von 5 Wochenstunden.
Damit die Lehrerschaft den neuen gesteigerten Anfor-
derungen voll und ganz nachkommen könne, wurden
seitens der Landesregierung Fortbildungskurse (sprach-
liche, pädagogische. und Fachkurse) verschiedener Art
abgehalten, die von der Lehrerschaft fleißig besucht
wurden. Demselben Zwecke dienen die Lehrerarbeits-
gemeinschaften, die die Lehrerschaft des ganzen
Landes umfassen. Durch verschiedene Vorträge und
Lehrproben wird seit dem Anschlusse des Landes an
Jesterreich die Lehrerschaft in alle modernen Errungen-
schaften der Pädagogik eingeführt und damit für ihren
Beruf immer mehr ertüchtigt. An den konfessionellen
Schulen, die die große Mehrheit darstellen, wurden im
“invernehmen mit den kirchlichen Oberbehörden Lehr-
personen als Schulleiter für diese Schulen bestellt.
Die früher bestandene 6jährige Alltagsschulpflicht
wurde im Jahre 1923 durch ein vom Landtage beschlos-
senes Gesetz auf 8 Jahre ausgedehnt, die sogenannte
Wiederholungsschule, die praktisch fast bedeutungslos
war, aufgelassen. Gleichzeitig wurden, um den Schul-
besuch zu bessern, scharfe Bestimmungen hinsichtlich
der Schulbesuchskontrolle und Schulversäumnisse er-
lassen, durch welche Maßnahmen ein guter Schulbesuch
erzielt wurde. Auch wurden in vielen Gemeinden neue
Schulhäuser errichtet, andere umgebaut und erweitert.
Im Schuljahre 1927/28 bestanden im ganzen 364 Volks-
schulen, darunter I51 ein-, 131 zwei- und 82 drei- und
mehrklassige mit insgesamt 752 Klassen. Die deutsche
Unterrichtssprache war an 317 Schulen eingeführt, an
37 Schulen die kroatische und an 10 Schulen die magya-
:ische. Die Anzahl der Lehrkräfte an Volksschulen
beträgt 539 männliche, 213 weibliche zusammen 752 und
34 Handarbeitslehrerinnen; die Schülerzahl an den Volks-
schulen 18.738 Kuaben, 18.771 Mädchen, zusammen 37.500,
darunter 4930 an den kroatischen und magyarischen
Schulen. Die durchschnittliche Klassendichte beträgt
daher 409°8, so daß das Burgenland in dieser Hinsicht
ıicht an letzter Stelle unter den Bundesländern steht.
Außerdem bestanden noch 44 Kindergärten mit 368]
Kindern und 57 Kindergärtnerinnen.
Der derzeitige Stand des mittleren Schulwesens
m Burgenlande kann nur mit Rücksicht auf die Ver-
hältnisse zur Zeit des Anschlusses richtig gewertet
werden. Der ungarische Staat unterhielt im Lande bloß
5 vierklassige Staatsbürgerschulen und überließ den
Confessionen die Sorge für höhere Mittelschulen. Nun
ieß die schwere wirtschaftliche Lage, in der sich der
5sterreichische Staat, das Burgenland und die Körper-
schaften befanden, auch dem mittleren Schulwesen nicht
auf einmal alle die Mittel zur Verfügung stellen, die
das hbildungsdurstige burgenländische Volk mit Recht
‚erlangte. Staat und Land haben aber trotzdem je cine
Mittelschule gegründet und die Zahl der vierklassigen
3ürger- (Haupt-) schulen wurde von vier auf vierzehn
arhöht. Außerdem wurden die konfessionellen Mittel-
schalen vielfach subventioniert, so daß das Mittelschul-
wesen im Burgenlande (derzeit etwa 850 Schulen) als
<onsolidiert bezeichnet werden kann. Die Hauptschulen
werden von 1130, die zwei neuen Handelsschulen von
73 Schülern besucht.
Bereits im Jänner 1922 wurde auch mit der Einrichtung
und dem Ausbau der Volksbildungsarbeit begonnen.
in der Folge wurde in unermüdlicher Sorgfalt und plan-
näßiger Zielstrebigkeit an dem Ausbau gearbeitet. Wie
dies gelungen ist, zeigt schon rein äußerlich die Tat-
;ache, daß die Fälle der Arbeiten seit Jänner 1928 es
notwendig gemacht hat, mit der Durchführung der
Seschäfte einen hauptamtlichen Leiter zu betrauen. In
Angriff genommen wurden fast alle Gebiete der Volks-
»ildungsarbeit, so das Vortragswesen (Stützen dafür
;ind vor allem die Orte, in denen sich Mittel- oder
Tauptschulen befinden. An einigen Orten hat diese
»esondere Pflege des Vortragswesens zur Gründung von
Uraniafilialen geführt); T’ortbildungs- und Volks-
hochschulkurse (die eigentümlichen Schulverhältnisse
der früheren ungarischen Zeit haben bei der Bevölkerung
viele Bildungslücken in den elementaren Fächern wie
Rechnen, Schreiben usw. hinterlassen. Zu ihrer Besei-
‘gung wurde und wird eine Reihe von Kursen abgehalten,
lie sich immer mehr über das bloße Lückenausfüllen zu
zanzer Bildungsarbeit im Sinne der modernen Volks-
»ildungsforderungen auswachsen); das Bücherei-
vesen (mit Unterstützung der Volksbildungsstelle des
3Zundesministeriums für Unterricht, der Landesregierung
und verschiedener Vereine, wie des Deutschen Schul-
vereins Südmark, der Urania usw. ist es bisher gelungen,
n zirka 150 Orten Volksbüchereien zu errichten, die
zerade im Grenzland eine bedeutungsvolle Aufgabe als
stützen der deutschen Kultur und des deutschen Volks-
‚ums haben. Von größter Wirkung verspricht in dieser
Hinsicht die Landesvolksbücherei in Eisenstadt zu werden).
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die 7 Jahre,
die das Burgenland nunmehr mit der Republik Öster-
reich in staatlicher Gemeinschaft steht, für das Land
auf den meisten Gebieten einen Aufschwung gebracht
naben, den auch Optimisten kaum für möglich ge-
alten hätten. Am Gedenktag der Republik können
tegierung und Beamtenschaft des Landes auf die bisher
zeleistete Aufbauarbeit mit Befriedigung zurückblicken.