Landtagssitzungssaal in Innshruck
DER WIEDERAUFBAU TIROLS
Von Landeshauptmann Dr. Franz Stump f.
welchem die Uebernahme der Staatsgewalt in den Län-
lern geregelt wurde, in Tirol die Anschauung vertreten,
nan sei ein selbständiger Staat geworden. Erst in der
3itzung des Tiroler Nationalrates vom 12. Dezember 1918
wurde zu diesem Gesetze entgültig Stellung genommen
ınd beschlossen: „Das Gesetz vom 14. November 1918,
STGBL. Nr. 24, wird vom Tiroler Nationalrat als für
Firol einstweilen und als ein Provisorium bindend an-
ırkannt.” Die Tiroler Volkspartei stellte hiezu jedoch
'est, „daß in diesem Gesetze in mehreren Punkten eine
\enderung der bisherigen Landesordnung enthalten ist
ınd eine solche Aenderung gemäß 88 ın und 12 des Ge-
;etzes vom 21. Dezember 1867, RGBL. Nr. 141 und gemäß
;tändiger Uebung nicht in den Zuständigkeitsbereich der
Zentralregierung gehört. Es liegt daher in der Erlassung
les Gesetzes vom 14. November 1918 eine Verletzung
der autonomen Rechte des Landes Tirol”,
Nichtsdestoweniger wurde mit 21. Dezember 1918 ge-
mäß den Bestimmungen des angekämpften Gesetzes zur
Konstituierung der Tiroler Landesversammlung geschritten.
Sie bestand aus 41 Mitgliedern, und zwar aus 22 Mit-
gliedern der Tiroler Volkspartei, 10 Deutschfreiheitlichen,
3 Sozialdemokraten und einem Vertreter des ladinischen
"eiles von Tirol. Selbstverständlich hatten die Südtiroler
/ertreter Sitz und Stimme in der Tiroler Landesver-
ımmlung.
Scweren Aufgaben standen die Vertreter dieser Körper-
Wenn hier ein kurzer Bericht über die politische Lage
Cirols seit dem Jahre 1918 gegeben werden soll, müssen
wir vor allem der Ereignisse zur Zeit des Umsturzes ge-
lenken. Am 26. Oktober 1918 erfolgte im Landhause in
‘nnsbruck eine Beratung deutschtirolischer Reichsrats- und
Landtagsabgeordneter, zwecks Konstituierung der Tiroler
Landesversammlung. Ueber Antrag Dr. Michael Mayr
wurde beschlossen: „Die heute hier tagenden deutsch-
rolischen Landtags- und Reichsratsabgeordneten erklären
sich als die Tiroler Nationalversammlung.” Zum Vor-
sitzenden wurde Landeshauptmann Josef Schraffl und
zu seinen Stellvertretern die Abg. Wilhelm Greil und
Dr. v. Wacdernell gewählt. Ferners wurde ein Voll-
zugsausschuß mit dem Titel „Tiroler Nationalrat”, be-
stehend aus 20 Mitgliedern, eingesetzt. Parteipolitisch
wichtig war die Vereinigung der Christlichsozialen und
Konservativen Tirols zur heute noch bestehenden „Tiroler
Volkspartei”, die sich aus den Städtevertretern — dem
Tiroler Volksverein — und den Vertretern der Land-
gemeinden — dem Tiroler Bauernbunde — zusammen-
setzte. Die Hauptaufgaben des Tiroler Nationalrates be-
;tanden in der Lösung der schwierigen Ernährungsfrage,
dem Abtransporte und der Regelung des Durchzuges der
zurückflutenden Armeen und die Stellungnahme zu ver-
fassungsrechtlichen Fragen. Was die staatsrechtliche
Stellung anlangte, so war bis zum Bekanntwerden des
Gesetzes vom 14. November 1918, STGBL. Nr. 24, mit