schaft gegenüber. Tirol war auf Grund des Waffenstill-
ztandes von Italienern, Franzosen und Engländern besetzt,
die Ernährungsverhältnisse die gleich traurigen und der
Verkehr mit Deutschsüdtirol erschwert, wenn nicht un-
möglich gemacht. Bangen Herzens sah man den Ver-
handlungen in Paris entgegen, wo über die Frage des
zeeinten oder geteilten Tirols entschieden werden sollte.
Kein Mittel wurde unversucht gelassen, jede Möglichkeit
genau erwogen, um das Schlimmste, die Zerreißung
Tirols zu verhindern. Das Schicksal war aber mächtiger.
Am 15. Dezember 1920 nahmen die Vertreter Südtirols
m schwarz umflorten Sitzungssaal Abschied.
Am 15. Juni 1919 fanden die Wahlen für den ver-
tassunggebenden Tiroler Landtag statt. 56 Mandate waren
zu vergeben. Hievon erhielten die Tiroler Volkspartei 38
ınd damit die Zweidrittelmajorität, die Sozialdemokraten 11,
die Deutschfreiheitlichhen 6 Mandate. Ein Mandat viel
auf die Wirtschaftliche Vereinigung. Wurde auch im
Laufe der Zeit die Anzahl der Mandate von 56 auf 40
verringert, so blieb das Verhältnis in der Zusammen-
setzung des Landtages und der Regierung das Gleiche.
ine Aenderung innerhalb der Tiroler Volkspartei brachte
‘ediglich das Jahr 1925, wo zum Tiroler Bauernbund und
dem Tiroler Volksverein noch die Unabhängige christlich-
deutsche Arbeitsgemeinschaft, als Vertreterin der christ-
lichen Arbeiter kam. Der gesunde Sinn der Bevölkerung
ließ sich bis jetzt auf keine gewagten politischen Ex-
perimente ein.
Wirtschaftlich waren die Jahre 1019 bis 1921 wohl die
schwersten für unser Land. Beinahe jede Aufbauarbeit
war unmöglich. Südtirol ging verloren und damit der
schönste und erträgnisreichste Teil unseres Landes. Zu-
rück blieb das schon im Frieden stiefmütterlich behandelte
Nordtirol mit seiner armen, wenn auch fleißigen und be-
scheiden lebenden Bevölkerung. Erst mit den Jahren 1924
und 1925 konnte wieder intensiver an den Wiederaufbau
in unserem Lande geschritten werden. Vor allem war es
der Fremdenverkehr, der reiche Mittel in unser Land
brachte. Die Elektrifizierung der Bundesbahn und der
Ausbau von großen Wasserkraftanlagen schafften Ar-
beitsgelegenheit und Verdienstmöglichkeit. Bestehende
Straßen werden dem modernen Verkehr entsprechend
hergerichtet, neue Verkehrsmöglichkeiten geschaffen. So-
weit es die finanziellen Mittel des Landes erlauben, wird
die Bautätigkeit unterstützt und gefördert.
Blicken wir auf die abgelaufenen zehn Jahre zurück,
so kann zusammenfassend gesagt werden, daß unser
Land, das wohl unter allen Bundesländern Oesterreichs
am schwersten von Schickksalschlägen getroffen wurde, mit
der geleisteten Wiederaufbauarbeit zufrieden sein kann,
Dank gebührt hiefür vor allem der heimattreuen Be-
völkerung, die unverdrossen oft die schwersten Lasten
auf sich nahm, er gebührt aber auch allen jenen, die,
an verantwortungsvoller Stelle stehend, unter vollkom-
nener Hintansetzung ihrer eigenen Person, zum Wohle
ınd zum Gedeihen unseres Heimatlandes Tirol gear-
hbeitet haben.
Schul- und Bildungswesen.
Das Schulwesen in Tirol hat in den letzten zehn Jahren
zanz beträchtliche Wandlungen durchgemacht, Wand-
‘ungen, die durch die Besonderheiten der Verhältnisse
n Tirol bedingt sind; vor allem der Volksschule:
Im Schuljahr 1918/19 betrug die Zahl der systemmäßigen
Volksschulen 296 mit 826 Schulklassen; Notschulen gab
»s 03, (ungeprüfte) Aushilfslehrer 92. Im Schuljahr 1928/29
jetrugen die korrespondierenden Zahlen 388, respektive
30, 51, 18. Die Zahl der Schulen hat sich somit um 92
der 31%, jene der Schulklassen um 104 oder 12°5% ver-
nehrt. Der Abbau der Notschulen beträgt 45%, jener
ler (ungeprüften) Notschullehrer beinahe 80%. Das
Anwachsen der Schulen und der Schulklassen gewinnt
ırhöhte Bedeutung, wenn. wir ins Auge fassen, daß die
Anzahl der Schüler 1918/19 44.039, und 1028/20
36.000 beträgt. Auf eine Schule entfielen somit früher
151 Kinder, heute nur mehr 93 Kinder; noch mehr sank
lie durchschnittliche Klassengröße: gegenüber durch-
;chnittlich 54 Kindern von ehedem entfallen heute nur
nehr deren 39 auf eine Lehrkraft. Die Abnahme der
schülerzahl (— 8840) ist allerdings zum Teil auf den
ıöheren Besuch der Haupt- und Mittelschulen zurück-
zuführen (3063 bzw. 684) und beträgt daher genau
zenommen nur 5102. Immerhin zeigt sich deutlich, daß
ler Geburtenausfall des Krieges noch lange nicht über-
wunden werden konnte.
Soweit die Schule berufen ist, eine abschließende
3ildung zu vermitteln, ist die Haupt-(Bürger-)schule
zinerseits die ländliche Fortbildungsschule ins Auge zu
assen. Bei den Haupt-(Bürger-)schulen war 1918/19
die Zahl der Schulklassen 18, die der Schüler 754 gegen
19 Klassen mit 3817 Schülern im Jahre 1928/29. Die
Zahl der Schüler hat sich somit verfünffacht, jene der
;chulklassen beinahe auf das siebenfache vermehrt.
‚ändliche Fortbildungsschulen gab es 1018/19
eine, im Schuljahr 1928/10920 206 Schulen mit 5100
schülern.
Die Eigenart der bäuerlichen Siedlungsweise in Tirol,
las Vorwiegen der Viehzucht, die klimatische Bedingt-
1eit, die der Wirtschaftstätigkeit des Bauern nur wenige
‚arge Sommermonate zubilligt, nicht zuletzt aber die
\rmut des Bergbauern bringt es mit sich, daß das
Ȋuerliche Schulkind zur Aushilfe an der Bewirtschaftung
les väterlichen Anwesens in einem Maße herangezogen
wird, das den Schulbesuch stark beeinflußt. Um einiger-
naßen einen Ausgleich herbeizuführen, entschloß sich
lie Schulbehörde schon im Jahre 1921 zur Einrichtung der
ändlichen Fortbildungsschulen, deren zweijähriger Besuch
lann obligat ist, wenn das Schuljahr der allgemeinen
/olksschule nicht eine Durchschnittsdauer von mindestens
1eun Schulmonaten erreicht hatte. Die Tatsache jedoch,
laß auch ältere Leute den Besuch der Fort-
»>ildungsschule anstreben, deutet bereits auf die
ntwicklungsmöglichkeit hin, die dieser Schulgattung inne-
vohnen. Das Bestreben der Schulbehörde geht dahin,
lie ländliche Fortbildungsschule soweit auszubauen, daß
lem bäuerlichen Schulkinde, dem der Besuch der Haupt-
and Bürgerschule naturgemäß in den meisten Fällen
versagt bleiben muß, ein möglichst ausreichender und
zweckentsprechender Ersatz hiefür geboten werde. Um
liesen Bestrebungen den Weg zu ebnen und den Boden
’eif zu machen, nicht zuletzt auch zur Ausgestaltung und
zur Hebung der bereits bestehenden Fortbildungsschulen.
wurde zum Mittel der Wanderlehrer gegriffen.