Object: 10 Jahre Wiederaufbau

mit der eisernen Willenskraft zum erstenmal wieder ins 
Parlament kommen und am 7. November 1924 demis- 
zionierte das Kabinett Seipel. Es folgte am 20. November 
[924 das Kabinett Ramek, das durchaus im Seipelschen 
Geiste weiterwirkte, bis am 20. Oktober 1926 abermals 
Dr. Seipel die Regierung übernahm. 
Dr. Seipel führt die Regierung noch heute, da auch 
die Wahlen vom 24. April 1927 keine Kursänderung 
brachten. Mit Ausnahme der Landbündler bildeten die 
Bürgerlichen eine geschlossene Front, die FEinheitsliste, 
und es war wieder die Christlichsoziale Partei, die dem 
Gedanken der Volksgemeinschaft damit die größten 
Opfer brachte. Das Wahlergebnis war: 1.753.346 Stimmen 
der Einheitsliste, 220.977 Stimmen des Landbundes, 
‚539.088 Stimmen der Sozialdemokraten. Auf Grund 
dieses Verhältnisses ist die Verteilung der Mandate des 
‚etzigen Nationalrates folgende: 85 Einheitsliste, 9 Land- 
bund, 71 Sozialdemokraten. 
Was die Organisation der Partei anlangt, so ist sie 
entsprechend ihrer förderalistischen Gliederung auf 
den Landesparteiorganisationen aufgebaut. Zur 
Jahreswende 1024 wurde unter Dr. Seipel als Partei- 
obmann das Generalsekretariat geschaffen, das von seinem 
kongenialen Mitarbeiter Schönsteiner eingerichtet wurde. 
Aufgabe des Generalsekretariates, dem ein cristlich- 
sozialer Nachrichtendienst angegliedert wurde, ist es vor 
allem, die ständige Fühlung mit den Landesparteileitungen 
und der christlichsozialen Presse in den Ländern auf- 
;echtzuerhalten und so den frischen Blutkreislauf zwischen 
den Gliedern und dem Herzen zu sichern. 
Schönsteiner ist am 2. April 1928 gestorben, sein Werk 
aber lebt weiter; der Generalsekretär der Partei ist der- 
zeit Minister a. D. Dr. Odehnal. Der Parteitag vom 
2. Februar 1026 hat die Parteisteuer und die Neube- 
arbeitung des Parteiprogramms ‚beschlossen. Letzteres 
wurde nach eingehenden Beratungen in den verschiede- 
aen Parteiinstanzen am 29. November 1926 durch den 
Gesamtparteirat beschlossen. 
Das Programm enthält folgende Grundsätze: 
Als Volkspartei betrachtet die Christlichsoziale Partei 
alle Berufsstände grundsätzlich als gleichberechtigte Glieder 
der Volksgemeinschaft. Sie verlangt aber auch von allen 
Ständen, daß sie ihre besonderen Interessen mit den 
Anforderungen des Gesamtwohles in Einklang bringen 
ınd daß jeder Stand für die Bedürfnisse und Rechte der 
ınderen Stände ein wohlwollendes Verständnis besitze. 
jie erblickt das Ziel der Politik in dem‘richtigen Aus- 
;leich der berechtigten Interessen aller Teile 
{es Volkes und lehnt den Klassenkampf ab. Sie ver- 
angt Schutz des keimenden Lebens, sie fordert den 
ittlichen und rechtlichen Schutz der Frau, den sittlichen 
nd leiblichen Schutz der Jugend, religiös-sittliche Er- 
jehung in Haus und Schule, Bekämpfung der öffentlichen 
Jnsittlichkeit wie auch der schlechten Literatur und Presse. 
jie fordert weiter ein in seinen Abstufungen‘ dem 
jildungsbedürfnisse der verschiedenen Berufsstände und 
ier Eigenart der verschiedenen Gebiete angepaßtes, im 
Zeiste jedoch einheitliches, auf Religion und 
/olkstum aufgebautes Schulwesen. Die Christ- 
ichsoziale Partei besteht auf der Anerkennung des 
‚echtmäßig erworbenen Privateigentumes, fordert 
ber auch, daß beim Erwerb und Gebrauch der irdischen 
Züter auf das Allgemeinwohl gebührende Rücksicht ge- 
ı1ommen werde. Sie verlangt vollen Schutz der ehr- 
ichen, geistigen und manuellen Arbeit; sowohl 
‚egen terroristische Behinderung als auch gegen selbst- 
üchtige Ausbeutung. Gleichzeitig fordert sie den Aus- 
jau der sozialen Gesetzgebung unter Bedacht- 
ıahme auf die Zeitumstände und die Leistungsfähigkeit 
ler Wirtschaft und zweckentsprechende Förderung der 
;ffentlichen und privaten Fürsorge. 
Die Christlichsoziale Partei bekennt sich zum demo- 
<ratischen Staate und weist ‚mit Entschiedenheit 
eden Versuch zur Aufrichtung einer Klassendiktatur 
urück. Die Christlichsoziale Partei hält an der Ueber- 
‚eugung fest, daß das Zusammenwirken von Kirche 
ınd Staat und deren gegenseitige Förderung im In- 
eresse beider gelegen ist. Da die Kirche dem Volke wie 
lem Staate und der staatlichen Ordnung lebenswichtige 
Dienste leistet, so verlangt die Christlichsoziale Partei 
;hon aus diesem Grunde die Freiheit der Religionslehre 
ınd -übung, dementsprechend Rechtsschutz für das 
‚eligiöse Bekenntnis und die religiöse Betätigung, sowie 
ıuch Freiheit der kirchlichen Organisationen. Schließlich 
verlangt sie die Gleichberechtigung des deutschen Volkes 
in der europäischen Völkerfamilie und die Ausgestaltung 
des Verhältnisses zum Deutschen Reich auf Grund 
des Selbstbestimmungsrechtes.
	        
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