Full text: Die obligatorische Krankenversicherung

ALLGEMEINE EINLEITUNG 
Art, Ausdehnung und Bedeutung der Krankenversicherung 
hängt aufs engste mit dem Entwicklungsstand der Industrialisie- 
rung, der Berufsorganisationen, der wirtschaftlichen Gedanken- 
welt sowie der politischen und gesellschaftlichen Kräfteverteilung 
zusammen. Hier wird der Versuch einer kurzen Darstellung der 
Entwicklung und der gegenwärtigen Ziele der obligatorischen 
Krankenversicherung unternommen. 
$ 1. — Die Entwicklung der Krankenversicherung 
DIE INNUNGEN 
Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts spielt die Kleinindustrie 
wirtschaftlich die Hauptrolle. Die Arbeiter und ihre Arbeitgeber 
arbeiten in kleinen Werkstätten. Beide gehören einer Zunft an, 
die, dank ihrer Vorrechte und ihres Monopols, den Handarbeitern 
eine gewisse Sicherheit gewährleistet. Häufig leben diese in der 
Familie ihres Arbeitgebers, wo sie auch im Krankheitsfalle ver- 
pflegt werden. Das Versicherungsbedürfnis ist unter solchen 
Umständen nicht sehr verbreitet. Wo es sich tatsächlich be- 
merkbar macht, da wird es durch die von den Innungen ins 
Leben gerufenen Hilfskassen hefriediet. 
DER EINFLUSS DER REVOLUTION 
UND DER GROSSINDUSTRIELLEN ENTFALTUNG 
Die Revolution, welche die tyrannisch und fortschrittsfeindlich 
gewordenen Innungen beseitigte und die Errichtung beruflicher 
Organisationen verbot, vertrat den Gedanken der Gleichheit aller 
vor dem Gesetz und der Arbeitsfreiheit. Sie brachte die Anwen- 
dung des gemeinen Rechts auf das Verhältnis zwischen Lohn- 
bezieher und Arbeitgeber: der einzelne Arbeiter kann mit dem 
einzelnen Arbeitgeber über den Inhalt seines Arbeitsvertrages ver- 
handeln. Das ist das Wesentliche an. der neuen Rechtsauffassung, 
die keinerlei berufsgenossenschaftliche Solidarität anerkennt. Unter 
solchen Bedingungen traten die Arbeiter in die grosse Wirtschafts-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.