Full text: Ansprachen und Vorträge

ordentlich gut vorgeschritten beim Bau von Automobilen und 
Flugzeugen; beim Bau von Schiffen sind wir aber noch recht 
atavistisch. Was hat es z. B. für einen Zweck, wenn ein modernes 
Motorschiff mit einem riesig dicken Schornstein versehen wird, 
der doch nur bei Schiffen mit Dampfmaschinen Zweck hatte? Es 
ist ja ganz schön, wenn man da allerhand Vorwärmekörper hin— 
ein legt, aber es ist im Grunde doch eine Feigheit. Man soll sich 
hüten vor Kulissen, man soll denken aus dem neuen Material 
und aus der neuen Art und Beschäftigung des Schiffes. Wir 
werden immer noch nicht ganz die Reminiszenzen aus der Zeit 
der Segelschiffahrt los, wir machen uns noch immer nicht ganz 
klar, daß das Schiff, das wir heute haben, ganz etwas anderes ist 
als das Segelschiff. Wenn der Kiel aus Buchenholz, die Planken 
aus Eichenholz und der Mast aus Tannenholz waren, so war 
das ein natürlich gewachsener Bau des Schiffes. Aber heute 
haben wir in Eisen und Stahl zu denken, die Verbände durch 
Nieten herzustellen und die Linienführung nach dem geringsten 
Widerstand zu formen. Es hat z. B. lange genug gedauert, bis 
wir in der Takelage der Masten uns frei gemacht haben davon, 
anzudeuten, als könne man auf einem Dampfer Segel hissen. 
Alle diese Fragen führen uns zu der absolut selbstverständ— 
lichen Forderung der sachgemäßen und materialechten Verwen— 
dung. Und die weitere Forderung ist, daß das Schiff deutsch sein 
soll. Ich weiß wohl, daß sich da in der Praxis große Schwierig— 
keiten auftun. Denn die Schiffe sollen ja benutzt werden zu 
einem großen Teil gerade angesichts der Verarmung Deutsch— 
lands von einem internationalen Reisepublikum. Wir haben es 
ja herrlich weit gebracht darin, diesem internationalen Publikum 
Opfer zu bringen, soviel, wie nur immer möglich war. Ich 
glaube, das war auch eine Tenden,, die in der Politik eine Zeit— 
lang maßgebend war, soviel hinzugeben, wie der andere nur 
immer fordern konnte. Ich glaube aber doch, daß wir in den 
letzten Jahren gemerkt haben, daß es auch ganz gut ist, von Zeit zu 
Zeit das Eigene zu bewahren und zu behaupten und nicht immer 
dem andern hundertprozentig hinzugeben, was er oft nur durch 
leises Stirnrunzeln oder durch Augenzwinkern zu fordern scheint. 
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