Die religiösen Sittengesetze haben nur die Pflichten des Einzelnen
im Auge, die Pflichten gegen sich und gegen seine Nächsten, d. h.
gegenüber den übrigen einzelnen Meenschen. Die irdische Verant—
wortung endet auch hier beim Staat. Dessen Erxistenz ist es also,
die erst dem sittlichen Handeln in der Welt Bedentung und feste
Grundlage gibt. Daher ist die Selbstbehauptung des Staates für
ihn selbst das oberste Gesetz. Eine Handlung, die im Privatleben
als unsittlich gilt, kann, auf den Staat angewendet, in höchstem
Maße sittlich sein. Ich erinnere nur an einen Krieg, der zur Er—
haltung von Staat und Volk aufgezwungen wird. Sittengesetze
sollen gewiß unter Staaten nicht aufgehoben sein, aber hier gilt in
besonderem Maße die Einschränkung, „wie man sie auffaßt“. Für
die Richtigkeit der Auffassung kann nur das eigene Volk maßgebend
sein. Wir haben es ja am eigenen Leibe erfahren, daß Handlungen,
die wir für in höchstem Mlaße sittlich empfanden, von unseren
Feinden als unsittlich gebrandmarkt wurden, daß andererseits das
ganze Verhalten unserer Feinde uns mit sittlicher Empörung erfüllt,
während sie vorgeben, im Namen der Sittlichkeit zu handeln. Aus
diesem Grunde hat der Appell an das sogenannte Weltgewissen
und Weltgericht so wenig Sinn. Schiller hat ganz recht mit seinem
Ausspruch: „Die Weltgeschichte ist das Weltgericht“. Die Welt—
geschichte ist aber noch von jeher nach dem Wort Bismarcks nicht
mit Reden und Parlamentsbeschlüssen, sondern mit Blut und Eisen
gemacht worden.
Wenn man die großen Unterschiede in Eigenschaften und Auf—
fassungen der Völker betonen muß, so bedeutet das nicht Feindschaft
zwischen den Völkern predigen. Man kann gleichzeitig sehr wohl
der Eigenart und den Vorzügen anderer Völker Anerkennung zollen,
und man kann viel, namentlich im Staatsleben, von ihnen lernen.
Da aber wir Deutsche nur zu sehr geneigt sind, das Trennende
zwischen den Völkern zu vergessen, so halte ich es für doppelt not⸗
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zu betonen, und das sind die Gegensätze. Es liegt auf der Hand, daß
mit dieser grundsätzlichen Auffassung unvereinbar ist, internationale
Beziehungen der Gemeinschaft des eigenen Volkes voranzustellen, wie
dies z. B. die Sozialisten tun, indem sie die Vereinigung des inter⸗
nationalen Proletariats gegen die eigene sogenannte Bourgeoisie auf—