GEORG KURLBAUM:
der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters. Alle Rechtsgeschäfte, die er unter
Verstoß gegen diese gesetzliche Bestimmung vornimmt, sind pendent unwirksam
and können nur durch nachträgliche Genehmigung des gesetzlichen Vertreters wirk-
;am werden.
Freilich ist auch der gesetzliche Vertreter in der Ausübung seines Kinwilligungs-
rechtes beschränkt. Er kann nämlich nicht willkürlich oder ohne zureichenden Grund
lem Minderjährigen die Genehmigung zum Beitritt zu einem Verein versagen.
Mißbraucht er das ihm gegebene Recht, so kann das Vormundschaftsgericht an seiner
Stelle die notwendigen Anordnungen treffen (1666 BGB.).
Schließlich ist im Zusammenhang damit noch die Frage zu beantworten, ob die
sinschränkenden Befugnisse des gesetzlichen Vertreters auch auf andere Personen,
z. B. auf den Lehrmeister übertragen werden können. Die meisten von den Hand-
werkskammern herausgegebenen Lehrvertragsformulare enthalten nämlich den
Satz: „Vereinen irgendwelcher Art darf der Lehrling ohne Genehmigung des Lehr-
meisters nicht beitreten. Zuwiderhandlungen berechtigen den Lehrmeister zur sofor-
tigen Aufhebung des Lehrverhältnisses und zur Forderung der vorgesehenen Ent-
schädigung.‘“ Zur Begründung dieser Vertragsbedingungen wird fast ausnahmslos
angeführt, daß gemäß 127a GewO. der Lehrling der väterlichen Zucht des Lehrherrn
unterworfen ist. Aus der Übertragung der väterlichen Zucht nimmt man nun auch
las gemäß 107 BGB. vorgesehene Einwilligungsrecht des gesetzlichen Vertreters
bei Vornahme von Rechtsgeschäften seitens des Minderjährigen für den Lehrmeister
’n Anspruch. Demgegenüber muß darauf hingewiesen werden, daß die väterliche
Zucht nur einen Teil der elterlichen Gewalt darstellt. Mit der Übertragung der väter-
lichen Zucht wird der Lehrherr nicht ohne weiteres zum gesetzlichen Vertreter des
Minderjährigen; es sei denn, daß er gleichzeitig auch zum Vormund bestellt wird.
Infolgedessen kann 127a GewO. nicht für die Beanspruchung des Einwilligungsrechtes
herangezogen werden, und das in den Lehrverträgen verzeichnete allgemeine Beitritts-
verbot zu Vereinen ist, als in Widerspruch mit Artikel 159 der Verfassung stehend.
rechtsunwirksam und muß demgemäß in den Lehrverträgen gestrichen werden.
Wohl aber steht dem Lehrherrn im Einzelfall auf Grund von 127 GewO. eine erzie-
herische Einwirkung auf den Lehrling zu, den Eintritt in Vereine zu unterlassen oder
aus Vereinen auszutreten, nämlich dann, wenn der Lehrling infolge der Zugehörig-
keit zu einem Verein geistig, körperlich oder sittlich unfähig wird, die berufliche Aus-
bildung, die neben der sittlichen Erziehung des Lehrlings den Hauptinhalt des Lehr-
vertrags bildet, fortzusetzen. Allerdings muß der Lehrherr den Beweis dafür er-
bringen, daß seine Behauptung richtig ist. Das dürfte in den meisten Fällen recht
schwierig sein. Folgt der Lehrling der Aufforderung des Lehrmeisters, den Beitritt
zu einem Verein zu unterlassen oder aus dem Verein auszutreten, nicht, so hat der
Lehrherr einen wichtigen Grund zur Auflösung des Lehrverhältnisses (123 Ziffer 8
CewO0.).
Die Organisationsklausel‘).
Von cand. GEoreG KURLBAUM-Berlin.
Die ersten Absperrungsklauseln finden sich in zwei Tarifverträgen aus den Jahren
1872 und 1888. In der Zeit bis zur Revolution sind sie in zahlreichen Tarifverträgen,
z. B. im deutschen Buchdruckertarif, im Beichstarif der Chemigranhen und
l) Literatur: GRoH: Das Koalitionsrecht. — GÄTCKE: Das Vereinigungsrecht. — BÜHLER:
Neue Zeitschr. f. Arbeitsrecht II, Nr. 3. — QGavss: Juristische Wochenschrift 50, S. 521. —
ERDMANN: Der Arbeitgeber. 1921, Nr. 17. — BIEnsSFELDT: Neue Zeitschr. f. Arbeitsrecht IL,
Nr. 8/9. — FLATOW: Neue Zeit. 1921, Nr. 25. — Baum: Neue Zeitschr. f. Arbeitsrecht IL, Nr. 1.
— SINZHEIMER: Juristische Wochenschrift 50. 8. 30.