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DAS HOTEL- UND GASTGEWERBE
werber das Amt eines Empfangsherrn anvertrauen? Ich höre
ein spöttisches Gelächter. „Ausgeschlossen!‘“, hallt es im ent-
rüsteten Chorus zurück. „Ein Empfangsherr muß ein in jeder
Beziehung tadelloser Gentleman sein, denn er kommt zuerst
mit dem fremden Gast in Berührung, und der Eindruck, den
er auf den Ankömmling macht, ist entscheidend für das ganze
Haus. Vom Empfangsherrn wird der Gast aufs Hotel und auf
den Hotelbetrieb schließen. Ist der Eindruck ungünstig, oder
lächerlich, oder schlecht, so wird das Hotel es zu büßen haben.“
So höre ich eifrige und entrüstete Antworten. Sehr richtig.
Das unterschreibe ich alles Wort für Wort. Und ich ergänze
es noch: Welchen Eindruck muß ein zum ersten Mal ins Hotel
kommender Gast von eben diesem Hotel gewinnen, wenn der
Empfangsherr ihn vielleicht in folgendem herrlichen Deutsch
begrüßen würde:
„Gutten Tack, Herr meiniges. Ick mir freuen serr, Ihnen
bei mich begrunzen zu verkönnen. Seien Sie auf dem schmerz-
lichsten verbewillkommenet bei unserm Hotel. Wirr Sie
werden tadellos verdienen.“
Grotesk, nicht wahr? Der deutsche Gast muß einen köstlichen
Eindruck von dem Hotel bekommen, das ihn also willkommen
heißt. „Aber Sie übertreiben ordentlich, Verehrtester‘“, höre ich
die Einwände aus allen Richtungen der Windrose und in allen
Sprachen erschallen. „Ein die Gäste in solcher Weise apostro-
phierender Empfangsherr, ganz gleich, welcher Nation er an-
gehört, würde schwerlich länger als einen Tag den Herrn des
Empfangs spielen können. Spätestens am nächsten Morgen
würde er sich in frischer Luft befinden.‘
Einverstanden. Zugegeben. Dagegen erhebe ich keinen
Widerspruch. Und ich konstatiere mit Vergnügen, wie zündend
mein absichtlich etwas drastisch gewähltes Beispiel einge-
schlagen und den berühmten Sturm der Entrüstung angefacht
hat. Aber — — nun kommt das berühmte Aber — wie stellt
man sich zu einem Werbeschriftchen oder einem Zirkular oder
Avis und dergleichen, das die künftigen Gäste des Hauses in
ähnlicher grotesker Weise „anredet‘“ und begrüßt, wie ich es
dem Empfangsherrn soeben in den Mund gelegt habe? Bitte?
Um mich nicht wiederum dem spöttischen Vorwurf ausge-
setzt zu sehen, ich wolle dem „Übermenschen‘“ Nietzsches da-
durch Konkurrenz machen, daß ich zum ‚Übertreiber“ werde,
will ich einmal tief hineingreifen ins volle Menschenleben. Ein