Full text: Das Hotel- und Gastgewerbe

DAS KAFFEEHAUS IN SEINER HEIMAT 501 
nördlicheren Kindern Europas so unendlich reizvoll, so fremd 
und doch vertraut, so jeden Tag neu erscheint, ist nur in jenen 
Landstrichen möglich, wo es auch seine wirkliche Heimat 
gefunden hat. 
Immer hat es mich warm und anheimelnd berührt, wenn ich 
in irgendeinem der unendlich vielen Kaffeehäuser Wiens zur 
Jause einkehrte. Stets waren der Schwarze, oder die Schale 
Haut, oder der Kapuziner, oder die Melange, ausgezeichnet, 
ganz gleich, in welchem Kaffeehaus ich zu Gast war. Auch im 
einfachsten. Wie das kommt? Ob die Wiener, beziehungsweise 
die schönen Wienerinnen ein besonders geheimnisvolles Rezept 
haben? Ich weiß es nicht. Aber ich will wenigstens verraten, 
wie man den Kaffee auf Wiener Art bereiten kann. Das Rezept 
ist für sechs Personen berechnet. Man mahlt 60 bis 80 Gramm 
nicht zu dunkel gebrannten Kaffee, schüttet ihn in eine Filter- 
maschine aus Weißblech, setzt deren Oberteil auf die Kaffee- 
kanne, drückt den Kaffee leicht ein, übergießt ihn zuerst mit 
einem Löffel kaltem Wasser, wodurch er leicht aufquillt, und 
gießt dann in kleinen Portionen siedendes Wasser nach, worauf 
der Deckel jedesmal fest geschlossen werden muß. Man darf 
niemals seit Stunden warm gestandenes Wasser, sondern muß 
stets frisches, rasch zum Kochen gebrachtes, verwenden. Der 
Kaffee darf nur langsam in großen Tropfen durchsickern. Das 
Wasser muß bei jeder Wiederholung des Aufgießens wieder 
gehörig sieden. 
Mit förmlicher Andacht habe ich das geruhsame Leben, das 
doch immer interessant blieb, eines solchen echten Wiener 
Kaffeehauses genossen und in mich aufgenommen, Dann 
merkte ich, wie unsere „Wiener Cafes‘ in Berlin, Dresden, 
Hamburg, Köln, Düsseldorf, Hannover usw. doch nur Surrogat, 
zweiter Aufguß, sind und bleiben werden, auch wenn echte 
Wiener Kellner“bedienen und „Küß die Hand‘ oder „Euer 
Gnaden‘“ sagen. Da merkte ich jedesmal, daß es nicht das 
Service, nicht die Kellner machen, sondern daß es an den 
Menschen liegt. Ich glaube nicht, daß in Deutschland, Holland, 
in den nordischen Ländern, ein Kellner oder ein Pikkolo 
aufzutreiben wäre, der mit sich immer gleichbleibender Geduld 
und Grazie dem stundenlang hockenden Gast ein Glas frisches 
Wasser nach dem andern hinstellen würde. Ich kann mir 
denken, daß es dem Cafetier in Wien, Budapest, Bukarest, Prag, 
Zagreb oder in den schönen Seebadeorten an der wundervollen
	        
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