Full text: Das Hotel- und Gastgewerbe

VACH DEM THEATER... NACH DER ABENDUNTERHALTUNG 615 
NACH DEM THEATER... 
Theaterbesuch sollte ein Fest sein. Es gab eine Zeit, sie liegt noch 
nicht allzu weit zurück, da war er das auch wirklich. Da schmückten 
sich die Damen mit ihren neuesten und schönsten Gesellschaftskleidern, 
am schlanken Hals und an den rosigen Fingern glitzerten die Brillanten 
und die Herren bildeten zur anmutigen Erscheinung der eleganten Dame 
im feierlichen Frack oder Smoking die fein abgestimmte Folie. 
Nach dem Theater, nach dem Konzert oder Vortrag, nach der Abend- 
unterhaltung traf man sich im schönen, behaglichen Speisesaal eines 
mondänen Hotels oder sonst einer gepflegten Gaststätte. Oft war das 
erst der Höhepunkt des Abends. Wenigstens für die elegante Dame. 
Sie sah und wurde gesehen. Der entzückende neue Theaterhut fiel auf. 
Bei den Damen unangenehm, bei den Herren anreizend. Sie fanden die 
tiebenswürdige Frau Inge mal wieder reizend und liebenswert. Nahmen 
sich vor, den letzten Gedanken in die Tat umzusetzen. Der kostbare 
Abendmantel kam voll zur Geltung. Erfüllte erst hier, im stimmungs- 
vollen, festlich erleuchteten Saale des Palast Hotels, oder des mondänen 
Weinrestaurants Universum, seine eigentliche Bestimmung. Frau Konsul 
Neugebauer wurde gelb im Gesicht, als sie den Mantel sah. Das heißt, 
Frau Inge dachte: sie wurde noch gelber als sonst! Wie schön war 
das, wenn man zeigen konnte, daß man schön war. Noch immer schön 
war. Während die anderen — —! Die Stunden nach dem Theaterbesuch, 
nach der Abendunterhaltung waren gar oft die schönsten. 
Die Unterhaltung floß leicht und angenehm. Die Stimmen schwirrten. 
Bonmots und liebenswürdige Scherze flogen Raketen gleich durch die 
Luft. Man war angeregt vom vorausgegangenen Theaterbesuch. Er hatte 
reichen, unerschöpflichen Unterhaltungsstoff geliefert. Man konnte über 
den Komponisten, den Dichter plaudern. Konnte ein, zwei, drei gute Haare 
an seinem Werk lassen. Die Sänger und Sängerinnen, die Darsteller und 
Darstellerinnen würzten die Unterhaltung, obwohl sie nicht persönlich 
teilnahmen. Aber gerade durch ihre Abwesenheit belebten sie die 
Gespräche. Über den Abwesenden läßt sich viel amüsanter plaudern. 
Und wie verstand man damals das Plaudern. 
Wie wußte man in jener Zeit aber auch zu „genießen“, Geistig sowohl 
als leiblich. Während der tadellos geschulte Kellner von den wunder- 
vollen, vielfarbigen und vielgestaltigen Hors d’oeuvres, jede einzelne 
Platte ein Stilleben und Gedicht, vorlegte, während man die köstlichen 
Austern aus den Wogen der Nordsee schlürfte, wogte die Unterhaltung. 
Dazu der Silberklang der Gläser, mit auserlesenen Gewächsen vom Rhein, 
von Mosel, Nahe, Saar, Ruwer usw, gefüllt. Es war wirklich der Höhe- 
punkt des Abends, der einzigartige, wundervolle und stimmungsvolle 
Ausklang des Theaterbesuches. Noch heute denke ich mit seliger Freude 
an manchen solcher Ausklänge. Erinnere mich, wie der Geist gewisser- 
Maßen in prickelndem deutschen Sekt gebadet erschien und genau SO 
Drickelte wie der schäumende Trank im Kristallkelch vor mir. 
Tempi passati. Vergangene Zeiten! Wirklich vergangen? Vor wenigen 
Tagen weilte ich wieder einmal in der Hauptstadt des Deutschen Reiches, 
das seit jener im Traum soeben durchlebten schönen Zeit zur Republik
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.