NACH DEM THEATER... NACH DER ABENDUNTERHALTUNG 619
durch die tanzenden Paare führte, klang sein übermütiges Lachen an
ihr Ohr:
NA ON Becher gesehen, meine Gnädigste. Ich
las diesen schwarzen Verdacht in Ihren Augen. Seien Sie ohne Sorge.
Horst Stolzenberg schätzt wohl die blumigen Kinder unseres Vaters Rhein,
er liebt sie sogar, aber er ist kein Trinker. Was mich so froh und über.
mütig macht? lese ich in Ihren Augen, Daß ich Sie gerade heute hier
finden mußte, wohin ich nur ungern, fast gezwungen kam. Und daß
Sie — nun lachen Sie recht übermütig — zu diesem schon übergroßen
Glück auch noch meinen Wein trinken.“
Ellen sah ihren Tänzer mit so unverhohlenem Entsetzen an, daß sie
beide aus dem Takt kamen und beinahe gestürzt wären. „Ich — soll
— Ihren — Wein — getrunken — haben?“ fragte sie stotternd.
Horst wurde scheinbar ernst: „Sie haben ihn nicht getrunken, sondern
Sie trinken ihn!“ Doch als er ihr ratloses, verwirrtes Gesichtchen sah,
tat Ellen ihm fast leid und er erklärte schalkhaft, mit der Miene eines
Dozenten trockener Juristerei: „Jawohl! Sie trinken meinen Wein. Aber
nicht aus meiner Flasche und nicht aus meinem Glas. Sie trinken meine
Lieblingsmarke, Steinberger Cabinet. Und dafür möchte ich — —*“, er
schwieg und setzte in Gedanken hinzu: „Sie küssen!“
„Nun verstehe ich!“ rief Ellen Gabriel fröhlich. Dann wurde sie ganz
unvermittelt traurig: „Der arme Papa. Eine gute Flasche Rheinwein war
seine Seligkeit. Aber bei einer Flasche Steinberger Cabinet konnte ich
Dies von ihm erreichen, bei ihm durchsetzen. Der arme, liebe, prächtige
apa.“
„Warum arm?“ fragte Horst vorsichtig.
„Er ist seit zwei Jahren tot. Ein Herzschlag nahm ihn uns. Riß ihn
jäh aus dem Leben. Und er war noch so jung. Erst 74. Mama war seine
zweite Frau. Ich werde 90 Jahre, sagte er immer. Das hat mir mein
Freund, Steinberger Cabinet, versprochen.“ Ein anmutiges Lächeln um-
spielte Ellens eben noch so traurig-ernstes Gesicht. Sie schien, als echte
Tochter ihres sorglosen Vaters, nicht lange ernst bleiben zu können.
„Muß ein prachtvoller Herr gewesen sein, Ihr alter Herr‘, meinte
Horst. „Schade, daß ich ihn nicht mehr kennenlernen kann. Ich liebe
fröhliche alte Herren, und liebe sie doppelt, wenn sie meinen geliebten
Rheinwein lieben.“
„Das würde Papa auch von Ihnen gesagt haben, wenn er es noch bei
Lebzeiten hätte erfahren können, daß Steinberger Cabinet Ihr Liebling
ist. Vater zu Ehren trinken Mama und ich stets diesen Wein, wenn wir
ausgehen. Unsere Bekannten haben mich das Steinberger Cabinetstück-
chen getauft“, setzte sie lachend hinzu.
„Steinberger Cabinetstückchen‘, wiederholte Horst versonnen, „Ein
entzückend zärtlicher Kosename nach meinem Geschmack. Ich werde
mich bemühen, bald, sehr bald zu diesen nahen Bekannten zu gehören,
um das Recht zu haben, Sie ebenfalls Steinberger Cabinetstückchen
nennen zu dürfen.“
Dabei sah er Ellen an, daß sie erst rot und dann blaß wurde. Er sah
es, und hätte am liebsten laut wie ein Schusterjunge gepfiffen. Da sich