Brautkinder.
35
Kategorie ganz besonders auch die nach dem sogenannten Hand-
schlag erzeugten Kinder einzureihen, d. h. Kinder, die nach vor-
hergegangenem, aber germanischer Auffassung, derzufolge der
Eheschluß nicht eine staatliche, sondern höchstens eine kirch-
liche, aber zunächst nur eine Familienangelegenheit sei, ent-
sprechendem, feierlich abgelegtem Gelübde erzeugt worden
sind®. Die unter moralischen Gesichtspunkten eigenartige Stel-
lung der Brautkinder wird zumal vom englischen Gesetz an-
erkannt. Die Einrichtung des breach of promise bietet der
unehelichen Mutter sowohl in pekuniärer Hinsicht als auch
vor der öffentlichen Meinung einigermaßen Schutz. Der Bräu-
tigam gilt nur in zwei Fällen als seiner Verpflichtungen ent-
hoben: Erstens, wenn seine Braut vor der Verlobung bereits
mit anderen unehelichen Geschlechtsverkehr gepflogen und
ihm diese wichtige Tatsache verschwiegen hat. Zweitens, wenn
Braut und Bräutigam bei der Verlobung ausdrücklich überein-
gekommen sind, bereits im Brautstande als Mann und Frau
zu leben, ohne daß der Bräutigam sein Eheversprechen später
wiederholt hätte?, Freilich haben englische Schriftsteller häufig
darüber Klage geführt, daß mit dem breach of promise seitens
männersüchtiger oder gar gewinnsüchtiger Frauen böser Miß-
brauch getrieben werde, so daß auf diese Weise sogar auf
Eisenbahnen und anderswo für alleinstehende Männer ein Ele-
Nachrichten, Korr, vom 30. März 1926, 2. Beilage.) Vorstehende Be-
merkungen haben indes ıhre Berechtigung nur, insofern es sich im Braut-
stand nicht um ein wie immer geartetes sexuelles Zusammenleben handelt,
Denn dieses (und schon der leise Verdacht desselben) disqualifiziert die
Braut weit mehr als den Bräutigam. Das liegt einmal in der Sitte, dann
aber auch in der bekannten physiologischen Konstitution von Mann und
Weib sowie endlich in der den meisten Männern eigenen Neigung zur weib-
lichen Jungfräulichkeit begründet.
8 Schnapper-Arndt, Sozialstatistik, 1. c., S. 523.
9 Paul Descamps, La Formation sociale de l’Anglais moderne, Paris
1914, Colin, p. 53.